Betreff
Aufstellungsbeschluss für eine Änderung des Flächennutzungsplanes sowie für einen Bebauungsplan zur Ausweisung von Sondergebietsflächen zur Stromerzeugung aus Solarenergie (Photovoltaik) am Heuerweg/Brombeerweg in Jeddeloh I
Vorlage
2023/FB III/3985
Aktenzeichen
FB III - Kn
Art
Beschlussvorlage

Finanzierung:

Planungs- und Verfahrenskosten sind vom Vorhabenträger zu übernehmen.

 

 


Sachdarstellung:

 

Der Verwaltung liegt ein konkreter Projektantrag für die Errichtung eines Solarparks im Bereich Heuerweg/Brombeerweg in Jeddeloh I vor. Der Antrag samt Projektbeschreibung, Lageplan und Berechnungen ist der Anlage Nr. 1 zu entnehmen.

 

Ausgangslage

Solarparks im Außenbereich fallen in der Regel nicht unter die privilegierten Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 BauGB und sind insbesondere aufgrund ihrer Größe und Wirkungen auf das Landschaftsbild und die sonstigen außenbereichsstypischen Strukturen nicht als sonstige Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB zulässig.

 

Anders verhält es sich seit Anfang des Jahres aufgrund einer aktuellen Änderung des Baugesetzbuches lediglich bei Vorhaben auf Flächen von bis zu 200 m Entfernung längs von Autobahnen oder überregionalen Schienenwegen mit zwei Hauptgleisen (§ 35 Abs. Nr. 8 b) BauGB). Nur derartige Vorhaben genießen eine planungsrechtliche Privilegierung und müssen lediglich ein Baugenehmigungsverfahren beim Landkreis durchlaufen. Hierunter fällt im Übrigen die aktuell in der Berichterstattung genannte Anlage, die zwischen Woldsee und A 28 in der Gemeinde Bad Zwischenahn entstehen soll.

 

Alle anderen (und damit alle in der Gemeinde Edewecht eventuell geplanten Solarparks) bedürfen somit für die Verwirklichung im Außenbereich einer Bauleitplanung (Änderung des Flächennutzungsplanes und Aufstellung eines Bebauungsplanes), also einer aktiven Planung der Gemeinde.

 

Aufgrund der klimaschützenden Zielsetzungen der Gemeinde und der Herausforderungen der Energiewende, auch in der Gemeinde Edewecht einen nennenswerten Beitrag zur Erzeugung erneuerbarer Energie zu leisten, wurde bekanntlich zur Thematik der Freiflächenphotovoltaik ein Gesamträumliches Konzept erarbeitet. Dieses „Gesamträumliche Konzept Freiland Photovoltaik“ konnte vom Rat in seiner letzten Sitzung beschlossen werden.

 

In dem Konzept wurden Bereiche (Cluster) im planungsrechtlichen Außenbereich identifiziert, die im Falle konkreter Projektanträge – Kriterien basiert – objektiv vorzugswürdig für eine Bauleitplanung zur Ausweisung von Sondergebieten „Freiflächen-Photovoltaik“ geöffnet werden könnten.

 

Im Zuge der Beratungen wurden auch Planungsempfehlungen zum Umgang mit Projektanträgen erarbeitet. Auf Grundlage dieses Leitfadens soll die Verwaltung in die Lage versetzt werden, eine Filterung nach vorlagewürdigen Projektanträgen vornehmen zu können. Das so entwickelte Prüfschema ist als Anlage Nr. 2 beigefügt.

 

Wie dem Prüfschema zu entnehmen ist, haben Projektanfragen innerhalb eines Clusters grundsätzlich geringere Hürden zu überwinden um für eine Gremienberatung in Frage zu kommen, als diejenigen Anfragen in Bezug auf Flächen außerhalb der Cluster. Gleichwohl haben einerseits auch Projektanfragen innerhalb eines Clusters „Muss-Vorgaben“ zu erfüllen. Andererseits sollen bei nachweislichem Vorliegen besonderer Qualitäten auch Anfragen außerhalb der Cluster im Ausnahmefall die Chance haben, sich als vorlagewürdig zu erweisen.

 

Planungsempfehlungen

 

Grundvoraussetzung für alle Vorhaben: Agrarstrukturelle Unbedenklichkeit

Grundlegendes zu erfüllendes Kriterium für alle Projektanfragen ist zunächst, dass der Projektträger die agrarstrukturelle Unbedenklichkeit seines Vorhabens nachweisen kann. Hierbei geht es insbesondere um den Nachweis, dass durch die Entnahme der Projektfläche aus der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung keine nachteiligen Folgen für die Landwirtschaft vor Ort zu befürchten sind. Diese könnten zum Beispiel eintreten, wenn durch das Projekt in Pachtverhältnisse derart eingegriffen wird, dass aktiven Landwirten in kritischem Umfang Wirtschaftsflächen entzogen werden.

 

Diese landwirtschaftsfachliche Prüfung liegt in der Zuständigkeit der Landwirtschaftskammer, weshalb jeder Projektträger von dort die Prüfung und Bestätigung der agrarstrukturellen Unbedenklichkeit nachgewiesen bekommen muss.

 

Zusatzvoraussetzungen für Vorhaben außerhalb eines Clusters:

a)    Darlegung einer nur geringfügigen Kriterienabweichung

Projektanfragen außerhalb eines Clusters können dann näher geprüft werden, wenn der Ausschluss aus einem Cluster lediglich darauf beruht, dass nur eine marginale Kriterienabweichung nachgewiesen werden kann. Dies kann der Fall sein wenn z. B. nur ein Kriterium wertmäßig geringfügig überschritten wird oder eine Kriterienverletzung die zum Clusterausschluss geführt hat im Einzelfall nachweislich heilbar ist.

b)    Darstellung der besonderen Qualität des Projektes 

Hier kommen Eigenschaften des Projektes in Frage, die eine mit der Projektplanung über das üblicherweise zu verlangende Maß an z. B. ökologischer Aufwertung erzielt werden können.

 

Um hier vergleichbare und auf alle Fallgestaltungen übertragbare Maßstäbe ansetzen zu können, kann dieser Aspekt dann als erfüllt betrachtet werden, wenn das außerhalb des Clusters angestrebte Projekt im Vergleich zu einer klassischen innerhalb eines Clusters liegenden Projektplanung, die ebenfalls eine umfassende Einbindung in das Landschaftsbild leistet, nach dem Bewertungsmodell des Nds. Städtetages zu einer um 25 % höheren Aufwertungsquote führt.

 

Zur Erläuterung: Selbst durch einen „klassisch“ geplanten Solarpark auf einer bislang intensiv genutzten landwirtschaftlichen Fläche wird die Eingriffsbilanzierung im Zuge des Bauleitplanverfahrens eine rechnerische Aufwertung der Fläche ergeben (Wertpunkteüberschuss). Das resultiert daraus, dass durch die Solarparknutzung in aller Regel eine Extensivierung der Fläche einhergeht (z. B. von intensiver Ackernutzung auf extensives Grünland). Um hier gegenüber von Projekten innerhalb von Clustern in angemessenem Umfang höhere Anforderungen zu definieren, haben Vorhaben außerhalb von Clusterflächen den ohnehin entstehenden Wertpunkteüberschuss durch weitere Aufwertungsbemühungen um 25 % zu steigern.

 

Auch die Vorbelastung bzw. räumlich/funktionale Angliederung an bestehende Strukturen können für eine ausnahmsweise Weiterverfolgung des Projektes sprechen, obwohl eine Lage außerhalb eines Clusters vorliegt.

 

Vorprüfung Projektantrag „Solarpark Brombeerweg“ in Jeddeloh I

Der vom Landwirtschaftsbetrieb Heuerweg 1 in Jeddeloh I vorliegende Antrag hat dieser zusammen mit der Projektentwicklungsfirma Greenovative GmbH, Nürnberg, erarbeitet.

 

Dem als Anlage Nr. 3 beiliegenden Übersichtsplan der Clusterflächen ist zu entnehmen, dass die Projektfläche außerhalb eines der Cluster des Gesamträumlichen Konzeptes liegt und somit nur im Ausnahmefall weiterverfolgt werden kann. Dafür muss das Vorhaben die oben beschriebenen Voraussetzungen erfüllen können.

 

a)    Agrarstrukturelle Unbedenklichkeit:

Die Projektflächen stehen sämtlich im Eigentum des Landwirts. Sie wurden durchgängig selbst bewirtschaftet. Eine Verpachtung der Flächen an andere Landwirte hat zu keiner Zeit stattgefunden. Auch nach Umsetzung des Vorhabens wird der landwirtschaftliche Betrieb fortgeführt.

 

Ein nachteiliger Eingriff in die Agrarstruktur kann somit bereits anhand dieser Ausgangslage ausgeschlossen werden.

 

Dennoch ist vom Antragsteller über die Landwirtschaftskammer das förmliche Attest als Bestätigung der agrarstrukturellen Unbedenklichkeit einzuholen.

 

b)    Darlegung einer nur geringfügigen Kriterienabweichung:

Von der Verwaltung wurde eine Analyse der betroffenen Kriterien vorgenommen, die einer Darstellung als Cluster-Fläche entgegenstehen. Hierbei konnte festgestellt werden, dass zum einen die in der Freiraumanalyse eingestellten Abstandsparameter zu überregionalen Versorgungsleitungen als Ausschlusskriterium auf der Fläche liegt. Es handelt sich hierbei um die das Gemeindegebiet von West nach Ost kreuzende Erdgashochdruckleitung der Gasunie-Deutschland. Im Wege einer konkreten räumlichen und technischen Abstimmung des Vorhabens mit dem Leitungsnetzbetreiber konnte der Vorhabenträger dieses Ausschlusskriterium ausräumen bzw. sein Vorhaben an die Anforderungen der Gasunie anpassen.

 

Zum anderen musste allerdings festgestellt werden, dass die Aussagen des Regionalen Raumordnungsprogramms des Landkreises Ammerland von 1996 (RROP 1996) in formaler Hinsicht im Zuge der Freiraumanalyse zu einem Ausschluss der Fläche als Solarcluster geführt hat.

 

Das entgegenstehende raumordnerische Ziel des RROP 1996 besteht in der Darstellung der Fläche als „Vorranggebiet für die Rohstoffgewinnung – Torf (!). Zwar befindet sich das RROP des Landkreises Ammerland seit 2017 in der Neuaufstellung. Dieses Verfahren ist aber bis heute nicht abgeschlossen, so dass in formaler Hinsicht das RROP 1996 und damit das in naturschutz- und klimaschutzfachlicher Hinsicht kontraproduktive und völlig aus der Zeit gefallene Ziel der Rohstoffgewinnung Torf in planungsrechtlicher Hinsicht weiter zu beachten ist.

 

Es ist auch ausgeschlossen, dass das regionale Ziel der Rohstoffgewinnung im laufenden Neuaufstellungsverfahren bestätigt wird, da in der übergeordneten Raumplanung des Landes seit dem Landesraumordnungsprogramm 2017 längst der Paradigmenwechsel von „Rohstoffgewinnung – Torf“ zu „Torferhaltung“ stattgefunden hat. Diese neuen Zielfestlegungen wird der Landkreis in sein RROP übernehmen müssen, so dass mit In-Kraft-Treten des neuen RROP kein Widerspruch zu Zielen der Raumordnung mehr bestehen wird. Dennoch entfalten bis zu diesem unbestimmbaren Zeitpunkt die alten Zielaussagen ihre rechtliche (Verhinderungs-) Wirkung.

 

Dies bedeutet, dass trotz der in natur-, moor-, und klimaschutzfachlicher Hinsicht wünschenswerten Wirkungen des Vorhabens noch ein formelles Zielabweichungsverfahren durchzuführen ist.

 

Von Seiten der Kreisverwaltung wird aufgrund der oben beschriebenen Umstände grundsätzlich die Möglichkeit für ein erfolgreiches Zielabweichungsverfahren gesehen. Da bei Zulassung einer Zielabweichung aber hinsichtlich dieses Teilaspektes eine abschließende Entscheidung im Aufstellungsverfahren zum RROP vorweggenommen werden würde, sieht die Kreisverwaltung es als erforderlich an, eine Zielabweichung in dieser Sache den Kreisgremien zur Entscheidung vorzulegen.

 

Dort wären durch die Mandatsträger auf Kreisebene dann die mit dem Vorhaben zu erreichenden Natur-, Moor- und Klimaschutzziele, die sich mit den bereits rechtskräftigen Zielen der Landesraumordnung und den sich in Aufstellung befindlichen Zielen der regionalen Raumordnung decken, gegen die überholten Zielaussagen des RROP 1996 abzuwägen und politisch zu bewerten.

 

c)    Besondere Qualität des Projekts:

Für Projektflächen außerhalb der Cluster soll dann die Möglichkeit der Einleitung eines Bauleitplanverfahrens bestehen, wenn das Vorhaben eine besondere Qualität aufweisen kann. Wie oben bereits ausgeführt wurde, sind vergleichbare und auf alle Fallgestaltungen übertragbare Maßstäbe erforderlich. Als erfüllt betrachtet werden kann der Aspekt der besonderen Qualität danach dann, wenn im Vergleich zu einer klassischen innerhalb eines Clusters liegenden Projektplanung, die ebenfalls eine umfassende Einbindung in das Landschaftsbild leistet, das außerhalb des Clusters angestrebte Projekt nach dem Bewertungsmodell des Nds. Städtetages zu einer um 25 % höheren Aufwertungsquote führt.

 

Wie der anliegenden überschlägigen Bilanzierung des Vorhabens zu entnehmen ist (Bestandteil der Anlage Nr. 1), kann dies durch das Projekt ohne weiteres geleistet werden.

 

Das Vorhaben steht im unmittelbaren räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle, die darüber hinaus weiter aktiv bewirtschaftet wird. Das Gesamtvorhaben kann außerdem sehr landschaftsbildverträglich eingebunden werden. Neben den ohnehin erforderlichen Mindesteingrünungsmaßnahmen sieht die Planung deutlich darüber hinausgehende biodiversitätssteigernde Maßnahmen vor. Diese werden in der Sitzung von den Projektvertretern näher beschrieben.

 

Beitrag des Vorhabens zu den Zielen des Gesamträumlichen Konzeptes

Der Solarpark hat eine Modulfläche von 8 ha. Gemäß unserer Planungsempfehlung ist zunächst ein Ausbau von 53 ha Freiflächen-PV anzustreben. Es verbleiben somit noch 45 ha für weitere Projekte. Zum Beitrag des Vorhabens hinsichtlich des Ziels einer bilanziell 100 %igen Deckung des gemeindlichen Strombedarfes durch lokal erzeugte Erneuerbare Energien wird auf die untenstehenden Ausführungen zu den Klimaauswirkungen verwiesen.

 

Insgesamt stellt sich das Vorhaben als sehr gutes Einstiegsvorhaben in die Thematik Sondergebietsausweisung „Solarpark“ dar, auch wenn die Vorhabenfläche außerhalb eines Clusters liegt.

 

Für eine detaillierte Vorstellung des Vorhabens stehen in der Sitzung sowohl der Landwirt als auch die Projektentwickler zur Verfügung.

 

 


Beschlussvorschlag:

Vorbehaltlich der fachbehördlichen Bestätigung der agrarstrukturellen Unbedenklichkeit des Vorhabens sowie der zu erwartenden Zulassung der Zielabweichung vom RROP 1996 soll für den Bereich der Projektfläche des Solarparks gemäß Anlage 1 zur Beschlussvorlage auf Grundlage des BauGB in der zurzeit geltenden Fassung

 

1.    eine 33. Änderung des Flächennutzungsplanes 2013 und

2.    der Bebauungsplan Nr. 205 „Sondergebiet Solarpark Brombeerweg“

 

aufgestellt werden.

 

Die Verwaltung wird beauftragt, auf Grundlage der Projektplanung entsprechende Vorentwürfe vorzubereiten und zu einer der nächsten Sitzungen des Bauausschusses zur Beratung über die frühzeitige Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung wieder vorzulegen.

 

 


Anlagen:

-       Antrag

-       Planungsempfehlungen

-       Plan Clusterflächen