Sachdarstellung:
Die Gemeinde Edewecht hat sich im Rahmen ihres Klimaschutzkonzeptes das
Ziel gesetzt, das Gemeindegebiet bis zum Jahr 2030 bilanziell zu 100 % mit
Strom aus lokalen Erneuerbaren Energien zu versorgen. Derzeit werden im
Gemeindegebiet rund 27 GWh oder 19 % der jährlich benötigten Strommenge in Höhe
von 144 GWh mit Hilfe von Biomasse, Wind- und Sonnenenergie erzeugt. Im
Klimaschutzkonzept wird bis 2030 eine Steigerung des Strombedarfes auf 200 GWh
pro Jahr prognostiziert. Die Gründe hierfür liegen insbesondere im zunehmenden
Stromverbrauch zur Bereitstellung vormals fossil erzeugter Heiz- und
Prozesswärme z.B. durch Wärmepumpen sowie in der sukzessiven Umstellung auf
Elektromobilität. Um die zusätzliche Strommenge von 173 GWh im Jahr 2030
bereitzustellen, ist ein Zubau aller im Gemeindegebiet potentiell verfügbaren
Erneuerbaren Energien, d.h. ein Energiemix aus Photovoltaik und Windkraft unter
Beibehaltung der gegenwärtigen Kapazitäten aus Biomasse erforderlich.
Der überwiegende Teil des benötigten Zubaus von Photovoltaik soll auf
Dachflächen und bereits versiegelten Flächen erfolgen. Dennoch ist auch eine
Inanspruchnahme von Freiraum für diese Energieerzeugungsform zu erwarten. Zum
einen liegen die Stromgestehungskosten für PV-Freiflächenanlagen (PV-FFA) deutlich
unterhalb derer von PV-Dachflächenanlagen, was diese Anlagen für Investoren und
Projektierer interessant macht und zum anderen ist die Realisierung von
Dachflächen-PV sehr viel kleinteiliger und damit auch von vielen individuellen
unternehmens- bzw. haushaltsbezogenen Einzelentscheidungen abhängig. Um die
Ausbauziele der Photovoltaik insgesamt sicherzustellen, legt deshalb auch das
Niedersächsische Klimaschutzgesetz (NKlimaG) eine Größenordnung für PV-FFA vor,
wonach 0,47 % der Landesfläche für entsprechende Anlagen zur Verfügung stehen
sollen. Für Edewecht entspricht dies einer Fläche von rund 53 Hektar und einer
hierauf möglichen Stromerzeugungskapazität von 42 GWh pro Jahr.
Planungshoheit
Anders als bei Windenergieanlagen handelt es sich bei PV-FFA nicht um
privilegierte Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB. Für die Errichtung von
Freiflächen-PV-Anlagen ist daher regelmäßig eine Bauleitplanung (Änderung des
Flächennutzungsplanes und Aufstellung eines Bebauungsplanes) erforderlich. Die
Gemeinde entscheidet daher auf Basis ihrer Planungshoheit im Sinne von § 1 Abs.
3 BauGB, ob, in welchem Umfang, wo und in welcher Ausprägung sie neue
Freiflächen-PV-Anlagen in ihrem Gebiet ermöglichen will.
Gesamträumliches Konzept
Vor diesem Hintergrund und im Sinne des Klimaschutzes möchte die Gemeinde
aber bereits im Vorgriff auf die gesetzlich geregelte Bauleitplanung den
Ausbau von PV-FFA proaktiv gestalten und steuern. Hierfür hat die
Verwaltung ein gesamträumliches Konzept in Auftrag gegeben, das die geeignetsten
und raumverträglichsten Standorte für Freiflächen Photovoltaik im
Gemeindegebiet identifiziert (siehe hierzu auch Beschlussvorlage 2021/FB
I/3554, LKU vom 6. Juli 2021). Ziel des Konzeptes ist es, schutzwürdige Belange
umfassend zur berücksichtigen und die Entwicklung von PV-FFA im Sinne einer
nachhaltigen und geordneten städtebaulichen Entwicklung auf möglichst
konfliktarme Standorte zu lenken. Mit Hilfe einer GIS-gestützten Analyse wurden
alle nicht geeigneten Flächen identifiziert und ausgeschlossen, z.B. aufgrund
von natur- und artenschutzrechtlichen Belangen, Ausweisungen der Raumordnung in
der Landes- und Regionalplanung, der Landschaftsrahmenplanung sowie der
städtebaulichen Entwicklung. Um die Inanspruchnahme hochwertiger,
landwirtschaftlich genutzter Flächen möglichst auszuschließen und den Fokus auf
ertragsarme Flächen zu lenken, wird zusätzlich eine maximale Ackerzahl von 32
festgelegt. Die zugrundeliegenden Kriterien sind der Anlage 1 (Gesamträumliches
Konzept Freiland-Photovoltaik) zu entnehmen.
Im Rahmen der Analyse wurde ein Gesamtpotenzial von 230 Hektar ermittelt.
Ausgehend von einer angenommenen und auf Erfahrungswerten des Fachbüros
basierenden Realisierungsquote von 25 % kann damit ein Ertrag von etwa 46 GWh
erzeugt werden, was einer Flächeninanspruchnahme von 57 Hektar oder 0,5 % des
Gemeindegebietes und somit der Zielvorgabe des NKlimaG entspricht. Die Lage der
Cluster kann der Anlage 2 (Übersichtskarte Potentiale Freiflächen-Photovoltaik)
entnommen werden.
Planungsempfehlung zum Umgang
mit Projektanträgen
Wie oben bereits ausgeführt ist für die Errichtung von
Freiflächen-PV-Anlagen regelmäßig eine Bauleitplanung erforderlich.
Mit dem Beschluss über ein Gesamträumliches Konzept wird somit kein
Automatismus zur Ausweisung von Bauflächen für PV-FFA ausgelöst.
Zur Einordnung, ob im Sinne der Klima- wie auch planerischen Ziele eine
Bauleitplanung in Erwägung gezogen werden sollte, schlägt die Verwaltung
vielmehr die folgende Vorgehensweise im Umgang mit konkreten Projektanträgen
vor:
1.
Im Regelfall
werden Anfragen zur Errichtung einer PV-FFA den Gremien nur dann zwecks
Entscheidung über Einleitung eines Bauleitplanverfahren vorgelegt, wenn die
folgenden Vorgaben erfüllt bzw. adressiert sind:
1.1.
Lage innerhalb eines Clusters (siehe Anlage 2): PV-FFA sind vorrangig
innerhalb eines der im Gesamträumlichen Konzept identifizierten Cluster zu
entwickeln. Diese Flächen sind aufgrund der geringen Raumwiderstände besonders
für die Errichtung entsprechender Anlagen geeignet.
1.2.
Für
jedes Vorhaben ist im Vorfeld die agrarstrukturelle Unbedenklichkeit
des Vorhabens über ein Fachgutachten nachzuweisen. Insbesondere soll hierdurch
verhindert werden, dass der Fortbestand landwirtschaftlicher Betriebe durch
einen übermäßigen (Pacht)-Flächenentzug bzw. steigende Pachtpreise gefährdet
wird.
1.3.
Grundsätzlich
soll das Ziel einer landschaftsverträglichen Einbindung der
Anlagen verfolgt werden.
1.4.
Begrüßenswert sind die Berücksichtigung weiterer Ziele wie
z.B. eine biodiversitätsfördernde Gestaltung der Anlage und/oder die
Reduktion von Treibhausgasemissionen aus kohlenstoffhaltigen Böden durch eine Vernässung
der Fläche.
2.
Ein
Antrag kann zwecks Aufnahme eines Bauleitplanverfahrens ausnahmsweise auch für
Flächen außerhalb der im Gesamträumlichen Konzept ausgewiesenen
Clusterflächen zur Beratung vorgelegt werden. Hierzu sind weitergehende
Überlegungen bzw. Fragestellung zu berücksichtigen:
2.1.
Ausführliche
Darlegung des Grundes und der Geringfügigkeit mit dem das Vorhaben von der
Flächenkulisse und den zugrundliegenden Kriterien des Gesamträumlichen
Konzeptes abweicht (z.B. die Höhe der Ackerzahl, Abstände etc.).
2.2.
Darstellung
der besonderen Qualität des geplanten Vorhabens. Da die Fläche außerhalb
der im Gesamträumlichen Konzept identifizierten und städtebaulich präferierten
Bereiche mit besonderes geringem Raumwiderstand liegt, ist zur Vermeidung eines
Wildwuchses von PV-FFA eine besondere Qualität des Vorhabens nachzuweisen. Dies
können beispielsweise folgende Aspekte sein: Agri-PV-Konzept oder ökologische
Aufwertung oder Moorschutz oder Eigenversorgung von
benachbartem Gewerbe/Landwirtschaft oder vorbelastete Fläche oder eine räumliche/funktionale
Angliederung an eine bestehende Clusterfläche.
Die vorgennannte Planungsempfehlung wird zunächst für zwei Jahre erprobt
und laufend evaluiert. Sollte sich das Verfahren als nicht praxisgerecht
herausstellen oder das Ausbauziel gemäß NKlimaG in Höhe von 53 Hektar vorzeitig
erreicht werden, wird dem zuständigen Ausschuss ein Anpassungsvorschlag
vorgelegt.
Abschließend ist noch herauszustellen, dass die konkrete Ausgestaltung
der Vorhaben über geeignete Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB (u. a. zu den
überbaubaren Grundstücksflächen, zur Höhe der Anlagen und zur Einfriedung bzw.
Eingrünung) im förmlichen Bauleitplanverfahren im Detail gesteuert werden. Die
Gestaltungs- und Steuerungshoheit für das konkrete Vorhaben liegt somit im
Detail auch nach etwaig erfolgtem Aufstellungsbeschluss für eine Bauleitplanung
bei der Gemeinde. Der Bauausschuss ist im Planungsverfahren daher immer zu
beteiligen.
Beschlussvorschlag:
Das mit der Beschlussvorlage 2022/FB I/3912 vorgestellte
Gesamträumliche Konzept Freiflächen-Photovoltaik sowie die Planungsempfehlung
zum Umgang mit Projektanträgen auf Errichtung von
Freiflächen-Photovoltaikanlagen wird festgestellt.
Anlagen:
Anlage 1: Gesamträumliches Konzept Freiflächen-Photovoltaik
Anlage 2: Übersichtskarte Potentiale Freiflächen-Photovoltaik