Betreff
Ausbau von Freiflächen Photovoltaik im Gemeindegebiet – Gesamträumliches Konzept und Planungsempfehlung zum Umgang mit Projektanträgen
Vorlage
2022/FB I/3912
Aktenzeichen
FB I - Ro
Art
Beschlussvorlage

Sachdarstellung:

 

Die Gemeinde Edewecht hat sich im Rahmen ihres Klimaschutzkonzeptes das Ziel gesetzt, das Gemeindegebiet bis zum Jahr 2030 bilanziell zu 100 % mit Strom aus lokalen Erneuerbaren Energien zu versorgen. Derzeit werden im Gemeindegebiet rund 27 GWh oder 19 % der jährlich benötigten Strommenge in Höhe von 144 GWh mit Hilfe von Biomasse, Wind- und Sonnenenergie erzeugt. Im Klimaschutzkonzept wird bis 2030 eine Steigerung des Strombedarfes auf 200 GWh pro Jahr prognostiziert. Die Gründe hierfür liegen insbesondere im zunehmenden Stromverbrauch zur Bereitstellung vormals fossil erzeugter Heiz- und Prozesswärme z.B. durch Wärmepumpen sowie in der sukzessiven Umstellung auf Elektromobilität. Um die zusätzliche Strommenge von 173 GWh im Jahr 2030 bereitzustellen, ist ein Zubau aller im Gemeindegebiet potentiell verfügbaren Erneuerbaren Energien, d.h. ein Energiemix aus Photovoltaik und Windkraft unter Beibehaltung der gegenwärtigen Kapazitäten aus Biomasse erforderlich.

 

Der überwiegende Teil des benötigten Zubaus von Photovoltaik soll auf Dachflächen und bereits versiegelten Flächen erfolgen. Dennoch ist auch eine Inanspruchnahme von Freiraum für diese Energieerzeugungsform zu erwarten. Zum einen liegen die Stromgestehungskosten für PV-Freiflächenanlagen (PV-FFA) deutlich unterhalb derer von PV-Dachflächenanlagen, was diese Anlagen für Investoren und Projektierer interessant macht und zum anderen ist die Realisierung von Dachflächen-PV sehr viel kleinteiliger und damit auch von vielen individuellen unternehmens- bzw. haushaltsbezogenen Einzelentscheidungen abhängig. Um die Ausbauziele der Photovoltaik insgesamt sicherzustellen, legt deshalb auch das Niedersächsische Klimaschutzgesetz (NKlimaG) eine Größenordnung für PV-FFA vor, wonach 0,47 % der Landesfläche für entsprechende Anlagen zur Verfügung stehen sollen. Für Edewecht entspricht dies einer Fläche von rund 53 Hektar und einer hierauf möglichen Stromerzeugungskapazität von 42 GWh pro Jahr.

 

Planungshoheit

Anders als bei Windenergieanlagen handelt es sich bei PV-FFA nicht um privilegierte Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB. Für die Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen ist daher regelmäßig eine Bauleitplanung (Änderung des Flächennutzungsplanes und Aufstellung eines Bebauungsplanes) erforderlich. Die Gemeinde entscheidet daher auf Basis ihrer Planungshoheit im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB, ob, in welchem Umfang, wo und in welcher Ausprägung sie neue Freiflächen-PV-Anlagen in ihrem Gebiet ermöglichen will.

 

Gesamträumliches Konzept

Vor diesem Hintergrund und im Sinne des Klimaschutzes möchte die Gemeinde aber bereits im Vorgriff auf die gesetzlich geregelte Bauleitplanung den Ausbau von PV-FFA proaktiv gestalten und steuern. Hierfür hat die Verwaltung ein gesamträumliches Konzept in Auftrag gegeben, das die geeignetsten und raumverträglichsten Standorte für Freiflächen Photovoltaik im Gemeindegebiet identifiziert (siehe hierzu auch Beschlussvorlage 2021/FB I/3554, LKU vom 6. Juli 2021). Ziel des Konzeptes ist es, schutzwürdige Belange umfassend zur berücksichtigen und die Entwicklung von PV-FFA im Sinne einer nachhaltigen und geordneten städtebaulichen Entwicklung auf möglichst konfliktarme Standorte zu lenken. Mit Hilfe einer GIS-gestützten Analyse wurden alle nicht geeigneten Flächen identifiziert und ausgeschlossen, z.B. aufgrund von natur- und artenschutzrechtlichen Belangen, Ausweisungen der Raumordnung in der Landes- und Regionalplanung, der Landschaftsrahmenplanung sowie der städtebaulichen Entwicklung. Um die Inanspruchnahme hochwertiger, landwirtschaftlich genutzter Flächen möglichst auszuschließen und den Fokus auf ertragsarme Flächen zu lenken, wird zusätzlich eine maximale Ackerzahl von 32 festgelegt. Die zugrundeliegenden Kriterien sind der Anlage 1 (Gesamträumliches Konzept Freiland-Photovoltaik) zu entnehmen.

 

Im Rahmen der Analyse wurde ein Gesamtpotenzial von 230 Hektar ermittelt.

Ausgehend von einer angenommenen und auf Erfahrungswerten des Fachbüros basierenden Realisierungsquote von 25 % kann damit ein Ertrag von etwa 46 GWh erzeugt werden, was einer Flächeninanspruchnahme von 57 Hektar oder 0,5 % des Gemeindegebietes und somit der Zielvorgabe des NKlimaG entspricht. Die Lage der Cluster kann der Anlage 2 (Übersichtskarte Potentiale Freiflächen-Photovoltaik) entnommen werden.

 

Planungsempfehlung zum Umgang mit Projektanträgen

Wie oben bereits ausgeführt ist für die Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen regelmäßig eine Bauleitplanung erforderlich.

 

Mit dem Beschluss über ein Gesamträumliches Konzept wird somit kein Automatismus zur Ausweisung von Bauflächen für PV-FFA ausgelöst.

 

Zur Einordnung, ob im Sinne der Klima- wie auch planerischen Ziele eine Bauleitplanung in Erwägung gezogen werden sollte, schlägt die Verwaltung vielmehr die folgende Vorgehensweise im Umgang mit konkreten Projektanträgen vor:

 

1.    Im Regelfall werden Anfragen zur Errichtung einer PV-FFA den Gremien nur dann zwecks Entscheidung über Einleitung eines Bauleitplanverfahren vorgelegt, wenn die folgenden Vorgaben erfüllt bzw. adressiert sind:

1.1. Lage innerhalb eines Clusters (siehe Anlage 2): PV-FFA sind vorrangig innerhalb eines der im Gesamträumlichen Konzept identifizierten Cluster zu entwickeln. Diese Flächen sind aufgrund der geringen Raumwiderstände besonders für die Errichtung entsprechender Anlagen geeignet.

1.2. Für jedes Vorhaben ist im Vorfeld die agrarstrukturelle Unbedenklichkeit des Vorhabens über ein Fachgutachten nachzuweisen. Insbesondere soll hierdurch verhindert werden, dass der Fortbestand landwirtschaftlicher Betriebe durch einen übermäßigen (Pacht)-Flächenentzug bzw. steigende Pachtpreise gefährdet wird.

1.3. Grundsätzlich soll das Ziel einer landschaftsverträglichen Einbindung der Anlagen verfolgt werden.

1.4. Begrüßenswert sind die Berücksichtigung weiterer Ziele wie z.B. eine biodiversitätsfördernde Gestaltung der Anlage und/oder die Reduktion von Treibhausgasemissionen aus kohlenstoffhaltigen Böden durch eine Vernässung der Fläche.

 

2.    Ein Antrag kann zwecks Aufnahme eines Bauleitplanverfahrens ausnahmsweise auch für Flächen außerhalb der im Gesamträumlichen Konzept ausgewiesenen Clusterflächen zur Beratung vorgelegt werden. Hierzu sind weitergehende Überlegungen bzw. Fragestellung zu berücksichtigen:

2.1. Ausführliche Darlegung des Grundes und der Geringfügigkeit mit dem das Vorhaben von der Flächenkulisse und den zugrundliegenden Kriterien des Gesamträumlichen Konzeptes abweicht (z.B. die Höhe der Ackerzahl, Abstände etc.).

2.2. Darstellung der besonderen Qualität des geplanten Vorhabens. Da die Fläche außerhalb der im Gesamträumlichen Konzept identifizierten und städtebaulich präferierten Bereiche mit besonderes geringem Raumwiderstand liegt, ist zur Vermeidung eines Wildwuchses von PV-FFA eine besondere Qualität des Vorhabens nachzuweisen. Dies können beispielsweise folgende Aspekte sein: Agri-PV-Konzept oder ökologische Aufwertung oder Moorschutz oder Eigenversorgung von benachbartem Gewerbe/Landwirtschaft oder vorbelastete Fläche oder eine räumliche/funktionale Angliederung an eine bestehende Clusterfläche.

 

Die vorgennannte Planungsempfehlung wird zunächst für zwei Jahre erprobt und laufend evaluiert. Sollte sich das Verfahren als nicht praxisgerecht herausstellen oder das Ausbauziel gemäß NKlimaG in Höhe von 53 Hektar vorzeitig erreicht werden, wird dem zuständigen Ausschuss ein Anpassungsvorschlag vorgelegt.

 

Abschließend ist noch herauszustellen, dass die konkrete Ausgestaltung der Vorhaben über geeignete Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB (u. a. zu den überbaubaren Grundstücksflächen, zur Höhe der Anlagen und zur Einfriedung bzw. Eingrünung) im förmlichen Bauleitplanverfahren im Detail gesteuert werden. Die Gestaltungs- und Steuerungshoheit für das konkrete Vorhaben liegt somit im Detail auch nach etwaig erfolgtem Aufstellungsbeschluss für eine Bauleitplanung bei der Gemeinde. Der Bauausschuss ist im Planungsverfahren daher immer zu beteiligen.

 

 


Beschlussvorschlag:

Das mit der Beschlussvorlage 2022/FB I/3912 vorgestellte Gesamträumliche Konzept Freiflächen-Photovoltaik sowie die Planungsempfehlung zum Umgang mit Projektanträgen auf Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen wird festgestellt.

 


Anlagen:

Anlage 1: Gesamträumliches Konzept Freiflächen-Photovoltaik

Anlage 2: Übersichtskarte Potentiale Freiflächen-Photovoltaik