Betreff
Weiterentwicklung der Schullandschaft der Gemeinde Edewecht
Sachstand Genehmigungsvoraussetzungen zur Errichtung einer Integrierten Gesamtschule
Vorlage
2014/FB II/1515
Aktenzeichen
FB II - 10.02.2014
Art
Beschlussvorlage

Sachdarstellung:

Einleitung

Nach intensiver, kontroverser Erörterung der Sach- und Rechtslage bezüglich einer möglichen Schaffung einer Integrierten Gesamtschule (IGS) in der Gemeinde Edewecht hatte der Rat der Gemeinde Edewecht in seiner Sitzung vom 03. Juli 2012 einen vielschichtigen Beschluss gefasst, der u.a. vorsieht

 

„5. Sofern sich die rechtliche Grundlage zur Einführung einer IGS nach der Landtagswahl 2013 verändern sollte und in der Folge der Elternwille das Bedürfnis für eine Umwandlung der OBS zur IGS unter Beibehaltung der Außenstelle des Gymnasiums Bad Zwischenahn/Edewecht ergibt, wird dieser Umwandlung zum nächst möglichen Termin zugestimmt.“

 

In der Sitzung des Schulausschusses vom 03. Juni 2013 ist darüber hinaus beschlossen worden,

 

„Die Verwaltung wird beauftragt, Gespräche mit den Ammerlandgemeinden bezüglich der möglichen Errichtung “Integrierter Gesamtschulen“ zu führen. Sobald neue rechtliche Vorgaben in Kraft treten, soll eine Beratung in einem gemeinsamen Schulausschuss mit der Gemeinde Bad Zwischenahn angestrebt werden.“

 

Sachlage

Die Landesregierung hat Mitte 2013 eine Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) und der untergesetzlichen Regelungen dahingehend auf den Weg gebracht, dass IGSen zukünftig in Niedersachsen vierzügig (statt bisher fünfzügig), in Ausnahmefällen auch dreizügig, geführt werden können. Eine umfassende Änderung des NSchG ist jedoch bis heute nicht erfolgt.

 

Was bedeutet das?

A. Die IGS ist weiterhin Angebots- und nicht Regelschule. Jeder Schüler hat einen gesetzlichen Anspruch auf Besuch einer Regelschule. Regelschulen sind Haupt-, Real- und Oberschulen sowie die Gymnasien. Die Schulträger haben ein Regelschulangebot vorzuhalten. Hiervon sind die Schulträger grundsätzlich auch dann nicht entbunden, wenn sie eine Angebotsschule vorhalten. Angebotsschulen sind z.B. IGSen.

Eine IGS könnte nur dann eine Haupt-, Real- oder Oberschule sowie ein Gymnasium ersetzen, wenn sie ebenfalls Regelschule wäre.

 

B. Die IGS muss eine Mindestgröße von vier Zügen pro Schuljahrgang aufweisen. Ein Zug entspricht einer Schülerzahl von 24, somit muss eine Schülerzahl von mind. 96 Schüler pro Schuljahrgang erreicht werden. Diese Mindestschülerzahl muss zwingend über einen Zeitraum von 10 Jahren nachgewiesen werden.

 

Es ist grundsätzlich Aufgabe des Schulträgers, diesen Nachweis zu erbringen. Die Landesschulbehörde empfiehlt hierzu die Durchführung einer Elternbefragung, um die Nachhaltigkeit zu dokumentieren. Hierzu sind die Erziehungsberechtigten von insgesamt vier Schul- bzw. Geburtsjahrgängen zu befragen. In der Regel sind dies die Eltern der Grundschulkinder der Schuljahrgänge 1 bis 4, wenn die Errichtung zum nächsten Schuljahresbeginn geplant ist. Insoweit bietet es sich an, die Befragung unmittelbar nach den Sommerferien für das darauf folgende Schuljahr durchzuführen.

 

Bei der Befragung muss die durchschnittliche Anwahl der befragten Jahrgänge ergeben, dass auch im 10. Jahr nach Einführung eine ausreichende Schülerzahl von 96 erreicht werden könnte.

 

Der in der Anlage beigefügten Berechnung anhand der derzeitigen Schülerzahlen ist zu entnehmen, dass in der Gemeinde Edewecht mehr als 50 % aller Eltern die IGS anwählen müssten, damit auch noch im Jahr 2023/24 die Mindestschülerzahl von 96 erreicht werden könnte.

 

Die Änderung des NSchG sieht jedoch auch Ausnahmeregelungen, die eine Dreizügigkeit ermöglichen könnten, vor. Diese Ausnahmetatbestände sind in § 4  der Verordnung für die Schulorganisation (SchulOrgVO) geregelt. Danach darf eine Gesamtschule dreizügig geführt werden, wenn

  1. sie vor dem 1. Aug. 2013 errichtet wurde; Diese Alternative kommt für die Gemeinde Edewecht nicht in Betracht, da keine Gesamtschule bislang errichtet werden konnte.
  2. eine andere Gesamtschule für Schüler unter zumutbaren Bedingungen nicht erreichbar ist; Hier greifen die Festlegungen des Trägers der Schülerbeförderung, hier der Landkreis Ammerland. Der Landkreis Ammerland hat in seiner Satzung über die Schülerbeförderung u.a. geregelt, dass zumutbare Schulwegzeiten für Schüler des Sekundarbereiches I bis zu 60 min. in eine Richtung betragen dürfen. Damit könnte – auch über den öffentlichen Personennahverkehr – eine IGS z.B. in der Stadt Oldenburg erreicht werden. Dabei kommt es jedoch nicht darauf an, ob Schülern aus dem Ammerland auch der Zugang zu einer IGS in der Stadt Oldenburg gewährt wird. Diese Ausnahmeregel stellt allein auf die Erreichbarkeit ab. Insoweit greift auch diese Alternative nicht für die Gemeinde Edewecht, wie auch für jede andere Ammerlandgemeinde.
  3. sie die einzige Schule im Sekundarbereich I am Schulstandort ist; diese Alternative greift nach Aussagen des Niedersächsischen Kultusministerium und der Niedersächsischen Landesschulbehörde nicht, wenn der Schulträger diesen Zustand selbst herstellt. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn die einzige Schule am Schulstandort in eine IGS umgewandelt werden würde und damit keine andere Regelschule mehr vorhanden wäre. Auch diese Alternative greift somit für die Gemeinde Edewecht nicht.

 

Zwischenfazit

Die Gemeinde Edewecht müsste, um eine IGS errichten zu dürfen, die Hürde der Vierzügigkeit als Mindestvoraussetzung für einen Zeitraum von 10 Jahren nachweisen.

 

C. In der Vergangenheit gab es keine Außenstellenregelung für IGSen. In § 3 SchulOrgVO ist jetzt auch die Außenstellenregelung für IGS vorgesehen. Für eine IGS ist jedoch nur dann eine Außenstelle genehmigungsfähig, wenn die Stammschule eine Vierzügigkeit und die Außenstelle mindestens eine Dreizügigkeit erreicht.

 

D. Die Elternbefragung ist aus Sicht der Niedersächsischen Landesschulbehörde das alternativlose Mittel zur Ermittlung der Nachhaltigkeit des Elternwillens. Die Landesschulbehörde stellt ein rechtlich geprüftes Muster zur Verfügung, welches auf die örtlichen Gegebenheiten anzupassen wäre. Eine Befragung der Eltern „wollen Sie eine IGS    JA/Nein“ ist unzulässig. Es ist abzufragen, welche Schulform die Eltern beim Übergang in die Sekundarstufe I anwählen würden. Jeder nicht abgegebene Fragebogen wird als NEIN gewertet. Dies bedeutet für die Gemeinde Edewecht, dass bei Befragung der Grundschuljahrgänge 1 bis 4 im Durchschnitt mehr als 50 % aller Eltern positiv die IGS anwählen müssten, damit die Hürde der Mindestschülerzahl (96 Schüler pro Jahrgang) erreicht werden könnte.

Derzeit wählen rd. 42 % aller Eltern des 4. Grundschuljahrganges das Gymnasium für ihr Kind, so dass unter den vorgenannten Voraussetzungen alle anderen Eltern eine IGS anwählen und eine fast 100 % Elternbeteiligung erreicht werden müsste.

 

Fazit

Das Land Niedersachsen hat zwar die Mindestzügigkeit für die Errichtung von Gesamtschulen auf eine Vierzügigkeit herabgesenkt. Diese Herbsenkung allein führt jedoch nicht zu einer deutlichen Erleichterung bei der Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen.

 

Solange die IGS als Angebotsschule zu führen ist, wäre das Regelschulangebot parallel vorzuhalten. Dies entweder durch eigene Schulen oder durch vertragliche Vereinbarungen mit anderen Schulträgern im Landkreis Ammerland.

 

Die Gemeinde Edewecht muss die Hürde des Nachweises des Erreichens der Mindestzügigkeit von vier Zügen über einen Zeitraum von 10 Jahren schaffen. Auf der Basis der heutigen Schülerzahlen wäre eine durchschnittliche Anwahlquote von über 50 % bei den zu befragenden Eltern der Grundschuljahrgänge 1 bis 4 nachzuweisen. Dies würde in Anbetracht der derzeit hohen Übergangsquote zum Gymnasium sehr schwer zu erreichen sein.

 

 

Gespräch mit den anderen Ammerlandgemeinden

Im November 2013 fand in der Gemeinde Apen eine gemeinsame Besprechung auf Initiative der Niedersächsischen Landesschulbehörde mit den Ammerlandgemeinden Apen, Bad Zwischenahn, Wiefelstede, Edewecht und der Stadt Westerstede, sowie den Landkreisen Ammerland und Cloppenburg und der Stadt Barßel statt. Im Rahmen der Besprechung verdeutlichte die Landesschulbehörde die derzeitigen Rahmenbedingungen und die vom Kultusministerium vorgegebenen Auslegungen der gesetzlichen Regelungen.

 

Die Landesschulbehörde führte in dieser Besprechung jedoch aus, dass eine umfassende Änderung des Schulgesetzes zu 2015 erwartet wird. In dieser Gesetzesänderung soll u.a. auch die Thematik der Regel- oder Angebotsschule überarbeitet werden. Es sei beabsichtigt, die Gesetzesänderung sodann über einen Regierungsentwurf auf den Weg zu bringen.

 

In der Besprechung in Apen wurde deutlich, dass die Hürde der Vierzügigkeit derzeit von keiner Ammerlandkommune aufgrund der sinkenden Schülerzahlen in den Jahren 2017 ff. geschafft werden könnte.

 

In der Folge sind sodann auf Verwaltungsebene Gespräche mit der Verwaltung in Bad Zwischenahn geführt worden. Die Gespräche ergaben, dass in Bad Zwischenahn voraussichtlich abgewartet werden soll, ob und wenn ja, welche Änderungen zum 1. Aug. 2015 erwartet werden können. Von der Durchführung einer Elternbefragung wird voraussichtlich aufgrund der derzeitigen Rechtslage Abstand genommen und bis zur erwarteten umfassenden Gesetzesänderung in 2015 verschoben.

 

Zusammenfassung

Aufgrund der bestehenden Beschlusslage wäre eine Elterninformation und –befragung zur Schaffung einer IGS in der Gemeinde Edewecht vorzubereiten. Es ist in Anbetracht der aufgezeigten Problematiken und der immer noch hohen Hürden der Genehmigungsvoraussetzungen jedoch höchst fraglich, ob diese Voraussetzungen realistischerweise erfüllt werden können. Die Gefahr, dass Erwartungen in der Elternschaft geweckt werden, die derzeit kaum erfüllt werden können, wäre groß. Alternativ könnte – wie in der Gemeinde Bad Zwischenahn – abgewartet werden, ob die angekündigte umfassende Gesetzesänderung in 2015 tatsächlich kommt und bis dahin die Umsetzung des Ratsbeschlusses ausgesetzt werden.


Beschlussvorschlag:

Die Umsetzung des Ratsbeschlusses zu 5. vom 3. Juli 2012 wird bis zur umfassenden Änderung des Schulgesetzes, voraussichtlich zum Aug. 2015, ausgesetzt.


Anlagen:

Auswertung Schülerzahlen