Betreff
Integriertes Klimaschutzkonzept der Gemeinde Edewecht
Vorlage
2022/FB I/3815
Aktenzeichen
FB I - Ro
Art
Beschlussvorlage

Finanzierung:

Es fällt jährlich ein Eigenanteil von rund 60.000 Euro für Personal- und Sachausgaben an. Über die Finanzierung der im Konzept aufgeführten Klimaschutzmaßnahmen wird individuell, im Rahmen der Umsetzung und unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln beschlossen.

 


Sachdarstellung:

Der Rat der Gemeinde Edewecht hat in seiner Sitzung am 28.10.2019 beschlossen, die Klimaherausforderung in der Gemeinde Edewecht als hohe Priorität anzuerkennen. Zudem wurde beschlossen, ein Klimaschutzkonzept zu erarbeiten und hierfür die Stelle eines Klimaschutzmanagements in der Verwaltung einzurichten und personell zu besetzen.

 

Der Klimaschutzmanager der Gemeinde Edewecht hat im Januar 2021 die Arbeit aufgenommen und im Zeitraum bis Juni 2022 das vorliegende Integrierte Klimaschutzkonzept gemäß den Förderrichtlinien des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) in Zusammenarbeit mit den Fachbüros EKP Energie-Klima-Plan gGmbH und ARSU GmbH sowie allen relevanten Akteuren der Gemeinde erstellt.

 

Das Klimaschutzkonzept dient der Gemeinde Edewecht als strategische Entscheidungsgrundlage und Planungshilfe für ihre Klimaschutzaktivitäten. Mit Hilfe des Klimaschutzkonzepts und des Klimaschutzmanagements wird Klimaschutz als Querschnittsaufgabe nachhaltig in der Kommune verankert. Aufbau und Inhalte des Konzepts orientieren sich dabei an den Pflichtbestandteilen, die vom Fördermittelgeber für integrierte kommunale Klimaschutzkonzepte vorgeschrieben sind. Hierzu gehören die Erstellung einer Bestandsanalyse zum Klimaschutz, die Berechnung einer kommunalen Energie- und Treibhausgasbilanz nach dem Territorialprinzip, die Ermittlung von Potenzialen zur Erzeugung erneuerbarer Energien und zur Erhöhung der Energieeffizienz, die Berechnung eines Klimaschutzszenarios bis 2050, die Entwicklung von Strategien, um die Klimaschutzpotentiale zu heben sowie die Ableitung von priorisierten Handlungsfeldern. In einem breit angelegten, partizipativen Prozess wurden konkrete Klimaschutz-Maßnahmen erarbeitet und umsetzungsorientiert beschrieben. Die ebenso anzufertigende Verstetigungsstrategie soll sicherstellen, dass der Klimaschutz strukturell und personell langfristig in der Verwaltung verortet bleibt. Ein Controlling-Konzept bildet die Grundlage, um den Erfolg und die Wirksamkeit des Klimaschutzes in Edewecht zu messen und die zugrundliegenden Maßnahmen stetig anzupassen und weiterzuentwickeln. Das Konzept schließt mit Hinweisen zur Kommunikation, um den Stellenwert von Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe in der Gemeinde zu festigen und Akteure zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen zu aktivieren und zu befähigen.

 

Ergebnisse

Die Energie- und Treibhausgasbilanz hat ergeben, dass in der Gemeinde im Bilanzjahr 2019 insgesamt 1.067 Gigawattstunden (GWh) Energie verbraucht wurden. Der Sektor Wirtschaft hat mit 716 GWh hieran den größten Anteil. Dies ist vor allem auf den sehr hohen Wärmebedarf des verarbeitenden Gewerbes in der Gemeinde zurückzuführen. Die Sektoren private Haushalte (221 GWh) sowie Mobilität (130 GWh) liegen im anteiligen Verbrauch deutlich dahinter zurück. Diese Verteilung spiegelt sich auch bei den Treibhausgasemissionen wider: So wurden im Gemeindegebiet 2019 bilanziell insgesamt 300.688 Tonnen Treibhausgase durch energiebedingte Prozesse ausgestoßen – rund 70 Prozent gehen auf den Sektor Wirtschaft zurück. Die hierin ebenfalls enthaltenen Treibhausgasemissionen der Gemeindeverwaltung liegen bei 3.023 Tonnen und damit anteilig bei einem Prozent des Gesamtausstoßes. Aus der Klimaschutzbilanz lassen sich weitere wichtige Erkenntnisse ziehen: So ist der Anteil im Gemeindegebiet erzeugter erneuerbarer Energien derzeit noch sehr gering. Die installierten Windkraft-, Solarenergie- und Biomasseanlagen decken lediglich 18,5 Prozent des Strombedarfs ab. Im Bereich Wärme ist die Dominanz fossiler Energieträger noch deutlicher ausgeprägt: Rund 95 Prozent der benötigten Energie für die Heizung sowie die Bereitstellung von warmem Wasser und von Prozesswärme werden noch aus fossilen Brennstoffen, überwiegend Erdgas, erzeugt. Gegenwärtig ergibt sich für jede Edewechterin und jeden Edewechter dadurch ein „CO2-Rucksack“ von 13,2 Tonnen. Dieser wiegt deutlich schwerer als der des bundesdeutschen Durchschnitts mit rund 9,7 Tonnen und zeigt den großen Handlungsbedarf in Edewecht anschaulich auf.

 

Die Potenzialanalyse baut auf den Ergebnissen der Energie- und Treibhausgasbilanz auf. Es zeigt sich, dass in Edewecht erhebliche Potentiale zur Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien bestehen. Dies gilt sowohl für Dachflächen- als auch für Freiflächen-Photovoltaik. Ebenso ist der Anteil an der Stromerzeugung durch Windenergie in Edewecht mit derzeit 2,5 Prozent am Energiebedarf noch minimal, hier werden deutliche Ausbaupotentiale gesehen. Ein enormes Ausbaupotenzial hat auch die stärkere Nutzung von Umweltwärme. Durch den Einsatz von Wärmepumpen können zukünftig 120 GWh Energie aus fossilen Gasheizungen nahezu emissionsfrei ersetzt werden. Keine Ausbaupotenziale werden hingegen im Bereich der Biomasse verortet. Die Potenzialanalyse deutet darauf hin, dass das Ausbaumaximum von Biogas- und Holzfeuerungsanlagen, aufgrund von Flächenkonkurrenzen und dem regional limitierten Waldbestand, bereits erreicht ist. Weitere Potenziale liegen darin, die Energieverbräuche insgesamt zu reduzieren. Dies gilt vor allem für den Wärmebedarf in Gebäuden, der durch ein ambitioniertes Sanierungstempo und eine hohe energetische Sanierungsqualität verringert wird sowie für die Senkung des hohen Wärmebedarfes in der Wirtschaft, der durch die Gemeinde nur indirekt beeinflusst werden kann. Im Mobilitätsbereich liegen die Potentiale vor allem im Effizienzgewinn von elektrischen Antrieben gegenüber Verbrenner-Fahrzeugen.

 

Die umfangreichen Potenzialannahmen wurden dann mittels Simulation zu einem Klimaschutzszenario verdichtet, welches eine Reduktion der Treibhausgasemissionen in Edewecht bis 2050 auf rund 20.000 Tonnen CO2e projiziert. Aus dem Kurvenverlauf wurden Emissions-Zwischenschritte abgeleitet, welche die mittel und langfristigen Klimaschutzziele der Gemeinde Edewecht darstellen:

·         2030: 45 Prozent Treibhausgasreduktion gegenüber 2019

·         2030: Bilanzielle Deckung des Strombedarfs zu 100 Prozent aus lokal erzeugten erneuerbaren Energien

·         2035: 60 Prozent Treibhausgasreduktion gegenüber 2019

·         2045: 84 Prozent Treibhausgasreduktion gegenüber 2019

Aufbauend auf den Ergebnissen des Klimaschutzszenarios wurden sechs Handlungsfelder für den Klimaschutz definiert. Die Handlungsfelder stellen die übergeordneten Gefäße für die konkreten Klimaschutzmaßnahmen des Konzeptes dar. Sie adressieren einerseits die wichtigen „Stellschrauben“ zur aktiven Reduktion von Treibhausgasen und zielen anderseits auf die Schaffung von Strukturen ab, um Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe zu verankern.

·         Bauen, Sanieren & Wärmewende

·         Erneuerbare Energien

·         Mobilität

·         Bildung, Beratung & Beteiligung

·         Klimaanpassung und Treibhausgas-Senken

·         Treibhausgasneutrale Verwaltung

In einem kontinuierlichen, partizipativen Prozess wurden insgesamt 32 Klimaschutzmaßnahmen erarbeitet und den jeweiligen Handlungsfeldern zugeordnet. Die Maßnahmen bilden den handlungsorientierten Kern des Klimaschutzkonzeptes. Jede Maßnahme wird in einem ausführlichen Steckbrief beschrieben und mit konkreten Meilensteinen und messbaren Erfolgskennzahlen versehen. Ebenso werden Vorschläge zur Finanzierung aufgezeigt. Einige Maßnahmen haben einen Schwerpunkt in der Erarbeitung weiterer konzeptioneller Zugänge und Vertiefungen, um komplexe, sektorale Klimaschutz-Herausforderungen zu adressieren, beispielsweise der Einstieg in die kommunale Wärmeplanung, die Identifikation von Windenergie-Standorten, die Erstellung eines Mobilitätskonzepts oder die Schaffung eines digitalen Moorkatasters. Andere Maßnahmen sollen Akteure durch Information und Beratung zum Klimaschutz-Handeln befähigen, Klimaschutz öffentlichkeitswirksam aufbereiten oder die Gemeindeverwaltung zu einem Klimaschutz-Vorbild machen.

 

Die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes ist eine langfristig angelegte Aufgabe. Um die Entwicklung und Wirksamkeit dieses Prozesses systematisch zu erfassen, wird vom Klimaschutzmanagement ein Klimaschutzcontrolling aufgebaut. Das Controlling geht dabei über den bloßen Vergleich von Ist- und Soll-Zustand hinaus. Es ist das Steuerungs- und Koordinierungsinstrument innerhalb des Klimaschutzmanagement-Prozesses und liefert auf Basis von konkreten, zeitlich fixierten und überprüfbaren Zielen und Kennzahlen Informationen zur Entscheidungsfindung und zielgerichteten Steuerung. Das Klimaschutzcontrolling ist zugleich eine wesentliche Grundlage, um das Klimaschutzkonzept stetig weiterzuentwickeln und an neue Inhalte und Themen anzupassen.

 

Das Klimaschutzkonzept zeigt auf, dass ein ambitionierter Klimaschutz in Edewecht möglich ist. Der tatsächliche Umsetzungserfolg gelingt jedoch nur, wenn Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe verstanden und von allen Akteuren in Edewecht mit hohem Einsatz betrieben wird. Der Ratsbeschluss zur Umsetzung des Konzeptes bildet hierfür den verbindlichen Auftrag.

 

Weiteres Vorgehen

Der vorliegende Entwurf wird dem Projektträger des BMU zur inhaltlichen Prüfung vorgelegt. Parallel hierzu reicht die Verwaltung nach dem erfolgten Ratsbeschluss bis zum 30.06.2022 einen Förderantrag für das sogenannte Anschlussvorhaben ein. Nach Bewilligung wird die Personalstelle des Klimaschutzmanagements für weitere drei Jahre (Januar 2023 bis Dezember 2025) zu 40 Prozent durch das BMU gefördert. Ebenso können hierdurch Fördermittel zur Öffentlichkeitsarbeit sowie zur Umsetzung ausgewählter investiver Klimaschutzmaßnahmen akquiriert werden.

 


Beschlussvorschlag:

1.    Der Rat der Gemeinde Edewecht beschließt die Umsetzung des integrierten Klimaschutzkonzeptes sowie die Einführung eines Klimaschutz-Controllings für das Klimaschutzmanagement.

2.    Die Verwaltung wird beauftragt, auf der Basis des Klimaschutzkonzeptes einen Förderantrag für das Anschlussvorhaben gemäß der Kommunalrichtlinie zu stellen. Die erforderlichen Personal- und Sachausgaben sind für die Jahre 2023 bis 2025 in die Haushaltsplanung einzubringen

 


Anlagen:

Integriertes Klimaschutzkonzept der Gemeinde Edewecht in der Fassung vom 03.06.2022