Sachdarstellung:
Die neue Landesregierung plant zum 01.08.2018 in Niedersachsen die Einführung des beitragsfreien Kindergartens für eine Betreuung von bis zu acht Stunden pro Tag. Von Seiten des Landes wird immer wieder betont, dass die Kommunen hierfür einen fairen Ausgleich erhalten sollen.
Aufgrund der vielfältigen Beitragsstruktur in den niedersächsischen Kommunen gestalten sich die Verhandlungen zwischen dem Land und den kommunalen Spitzenverbänden schwieriger als vom Land erwartet.
Nach intensiven Gesprächen sind beide Seiten sich einig, dass eine unbürokratische Lösung gefunden werden sollte, sodass darüber nachgedacht wird, die vom Land gezahlte Finanzhilfe zu erhöhen.
Neben den Elternbeiträgen und den Pauschalbeiträgen des Landes für Kinder im letzten Kindergartenjahr erhält die Gemeinde Edewecht vom Land Niedersachsen eine Finanzhilfe für jede Kindertagesstätte zur Deckung der Defizite. Weitere Einnahmen werden grundsätzlich nicht generiert.
Mit der Finanzhilfe soll ein Teil der Personalkosten
bestritten werden.
Maßgeblich für die Berechnung der Finanzhilfe sind die Jahreswochenstunden
der Fachkräfte multipliziert mit einer für jedes Kindergartenjahr zu
ermittelnden Finanzhilfepauschale.
Der Finanzhilfesatz beträgt derzeit:
- 20 % für Kindergartengruppen und Hortgruppen in Kindertagesstätten und
Kleinen Kindertagesstätten und
- 52 % für Krippengruppen in Kindertagesstätten und Kleinen
Kindertagesstätten (ab 01.08.2013).
Die Jahreswochenstundenpauschale
beträgt für das Kindergartenjahr 2017/18:
- 1.196,00 € je sozialpädagogischer Fachkraft
- 1.027,00 € je sonstiger Fach- und
Betreuungskraft i. S. v. § 4 III KiTaG, (zweite
geeignete Fachkraft)
- 571,00 Euro je Berufspraktikant der
Fachschule oder Fachhochschule für Sozialpädagogik.
Diese Pauschale wird jährlich um 1,5 % erhöht, wobei
die Beträge auf volle Euro abgerundet werden. In den vergangenen Jahren führte
diese „Rundungsregelung“ dazu, dass im Durchschnitt lediglich eine Erhöhung um
1,45 % erfolgte.
Erhöhung des
Jahrespauschalbetrages für die Berechnung der Finanzhilfe:
Jahr |
Pauschale pro
Jahresarbeitsstunde |
Steigerung in % zum Vorjahr |
2011 |
1.097,- € |
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2012 |
1.113,- € |
1,46 % |
2013 |
1.129,- € |
1,44 % |
2014 |
1.145,- € |
1,42 % |
2015 |
1.162,- € |
1,48 % |
2016 |
1.179,- € |
1,46 % |
2017 |
1.196,- € |
1,44 % |
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Ø 1,45 % |
Diese Regelung zur Erhöhung der Pauschale
lässt die tatsächlichen Personalkosten und deren Entwicklung infolge von
Tariferhöhungen gänzlich unberücksichtigt, mit der Folge, dass der Anteil des
Landes an den Personalkosten im Verlauf der Jahre gesunken ist.
Erhöhung der
Kindergartenbeiträge in der Gemeinde Edewecht
Die
jährliche Anpassung der Kindergartengebühren wird in der Gemeinde Edewecht zum
01.08. eines jeden Jahres gemäß der Satzung über die
Erhebung von Gebühren für die Benutzung der Kindergärten in der Trägerschaft
der Gemeinde Edewecht anhand der tariflichen Erhöhungen des TVöD
vorgenommen.
Folgende
Gebührensteigerungen wurden in den letzten Jahren berücksichtigt:
Jahr |
prozentuale Erhöhung |
2012 |
3,50 % |
2013 |
1,40 % |
2014 |
4,67 % |
2015 |
2,40 % |
2016 |
6,69 % |
2017 |
2,35 % |
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Ø 3,50 % |
Die nominale Steigerung der Pauschale von 1,5
% p. a. berücksichtigt damit nicht die realen Personalkostensteigerungen in der
Gemeinde Edewecht.
Die Pauschale erfasst darüber hinaus nicht die
der Gemeinde Edewecht entstehenden Personalkosten für Krankheits- und
Urlaubsvertretung (Springerkräfte). Ferner bleiben Personalkosten für
Reinigungskräfte, Hausmeister, Hauswirtschaftskräfte und Verwaltung
unberücksichtigt und gehen damit zu vollen Lasten der Gemeinde, obwohl diese
Personalkosten für den Betrieb einer Kita unabweisbar sind.
Im Zuge der Verhandlungen um die Beitragsfreiheit wurde vom Land
zunächst der Vorschlag unterbreitet, die Finanzhilfe für den
Kindergartenbereich von 20 % auf 52 % zu erhöhen. Die Pauschale für das
beitragsfreie Jahr würde dann entfallen.
Die finanziellen Auswirkungen einer solchen, auf 52 % erhöhten,
Pauschale für die Gemeinde Edewecht sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
Ertragssituation in den Kindergärten der
Gemeinde Edewecht im Jahr 2017
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Der aktuelle Vorschlag des Landes sieht eine Erhöhung des allg.
Finanzhilfesatzes von 20 % auf 55 % vor. Dieser soll jährlich um 1 % ansteigen,
bis im Kindergartenjahr 2021/2022 dauerhaft 58 % erreicht sind. Diese
Steigerungen will das Land mit Bundesmitteln finanzieren.
Der niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonne führt aus, damit
„die Kommunen bei der wichtigen Aufgabe der frühkindlichen Betreuung finanziell
gut aufstellen“ zu wollen. Mit einer landesweit einheitlichen Pauschale aber
wird das Land dem Konnexitätsprinzip nicht gerecht. Alle Gebietskörperschaften
des Landes sollen künftig eine allg. Finanzhilfe von zunächst 55 % erhalten,
unabhängig davon, ob diese bislang überhaupt Beiträge für die Kinderbetreuung
erhoben haben oder in welchem Umfang Elternbeiträge generiert werden konnten
(die dann künftig auch entfallen würden). Selbst wenn alle Gebietskörperschaften
des Landes Niedersachsen einheitliche Beitragsstaffelungen für die Betreuung in
den Kindergärten geregelt haben würden, würden die real vereinnahmten
Elternbeiträge in den Kommunen variieren. Grund hierfür ist, dass das
tatsächliche Beitragsaufkommen letztlich von der Einkommenssituation der
Erziehungsberechtigten abhängt.
Folge der einheitlichen Erhöhung der Finanzhilfe wäre, dass eine
Vielzahl von Gebietskörperschaften sich über den unerwarteten Geldsegen freuen
würde, während bei anderen Kommunen das bereits vorhandene Defizit erweitert
würde. Das niedersächsische Finanzministerium hat mitgeteilt, dass man bei
einer Erhöhung der Finanzhilfe auf 55 % an seine finanziellen Grenzen stoßen
wird, sodass im ersten Gang eine weitere Erhöhung nicht möglich sein wird. Aus
Sicht der Verwaltung ist diese Aussage schlicht unangemessen, da die Gemeinde
mit dieser Regelung finanziell schlechter gestellt wäre.
Die Gemeinde Edewecht hat aber nicht lediglich einen Anspruch darauf,
„finanziell gut“ aufgestellt zu werden. Vielmehr muss das Land die finanziellen
Folgen der geplanten Beitragsfreiheit erstatten. Das Land hat bei seinen
Berechnungen (wenn es solche dort in Ermangelung von validen Daten und
Berechnungsgrundlagen überhaupt gibt; siehe Nieders. Landtag Drucksache 18/526
- Kleine Anfrage zur Finanzierung von Kitas) der notwendigen Erhöhung der allg.
Finanzhilfe nicht berücksichtigt, dass nicht nur die finanziellen Auswirkungen
des Wegfalls der Elternbeiträge zu kompensieren sind. Hierfür wäre für die
Gemeinde Edewecht im Kindergartenjahr 2017/2018 eine Erhöhung der allg.
Finanzhilfe auf 57,13 % erforderlich.
Eine Anhebung der allg. Finanzhilfe auf 55 % bis 58 % würde sich für die
Gemeinde Edewecht wie folgt auswirken:
Allg.
Finanzhilfe in % |
Fehlbetrag
in der Gemeinde Edewecht (Basis: Kindergartenjahr 2017/2018) |
52 % |
-
159.083 € |
2018/2019 55
% |
- 66.053 € |
2019/2020 56 % |
- 35.043 € |
2020/2021 57
% |
-
4.033 € |
2022/2023 58
% |
+ 26.977 € |
Diese lediglich statische Berechnung auf der Basis der Beiträge für das
Kindergartenjahr 2017/2018 lässt vermuten, dass der für die Gemeinde Edewecht
mit der geplanten Beitragsfreiheit entstehende
finanzielle Nachteil sich bei einer Erhöhung der allg. Finanzhilfe spätestens ab dem
Kindergartenjahr 2022/2023 in einen Überschuss umkehren würde.
Dem ist aber nicht so, da bei dieser tabellarischen Darstellung
ausschließlich auf eine Kompensation der generierten Elternbeiträge im Jahr
2017/2018 abgestellt wird. Weitere Auswirkungen der geplanten Einführung der
Beitragsfreiheit werden durch diese Darstellung nicht berücksichtigt.
Soweit man zusätzlich die durchschnittlichen Tarifsteigerungen i. H. v.
3,50 % sowie die landesseitige Anpassung der Jahreskostenpauschale i. H. v.
lediglich 1,45 % berücksichtigt, führt dies zu einem höheren Fehlbetrag zu
Lasten der Gemeinde Edewecht. Dieser Fehlbetrag würde nicht durch den vom Land
angebotenen erhöhten allg. Finanzhilfesatz ausgeglichen werden.
Satzungshoheit der Gemeinden
Die seitens des Landes gewollte „Beitragsfreiheit“ für die
Erziehungsberechtigten soll einhergehen mit einem Verzicht der Kommunen,
Gebühren für den Besuch von Kindertagesstätten zu erheben.
Dieses aber steht im Widerspruch zu den kommunalabgabenrechtlichen
Grundsätzen, welche auch hier Anwendung finden. § 5 Abs. 1 Niedersächsisches
Kommunalabgabengesetz (NKAG) regelt den Grundsatz, dass die Kommunen „als
Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen
Benutzungsgebühren“ erheben sollen. Dabei soll das Gebührenaufkommen die Kosten
der jeweiligen Einrichtungen decken, nicht aber übersteigen. „Die Kommunen
können niedrigere Gebühren erheben oder von Gebühren absehen, soweit daran ein
öffentliches Interesse besteht“ (§ 5 Abs. 1 S. 3 NKAG).
Der letzte Satz stellt auf die verfassungsrechtlich garantierte Finanz-
und Satzungshoheit der Kommunen ab. Diese sollen hinsichtlich der Höhe der
(ggfls. niedrigeren) Benutzungsgebühren entscheiden können, ferner darüber, ob
sie ein öffentliches Interesse annehmen, welches dazu führt, dass sie von einer
Gebührenerhebung absehen. Im Hinblick darauf, dass die Gemeinde Edewecht den
überwiegenden Anteil der Kosten, die mit der Betreibung von Kindertagesstätten
verbunden sind, zu tragen hat, nicht aber das Land Niedersachsen, besteht in
Anbetracht der umfangreichen gemeindlichen Aufgaben in anderen Bereichen kein
Spielraum dafür, eine Verschlechterung der Erstattungen zu akzeptieren.
Im Jahr 2016 hat die Gemeinde Edewecht einen Aufwand von rund 4,3 Mio. €
zur Finanzierung der Kindergärten tragen müssen. Diesem Aufwand standen Erträge
von rund 1,9 Mio. € gegenüber, mit der Folge, dass die Gemeinde Edewecht einen
Betrag von rund 2,4 Mio. €, oder anders ausgedrückt, etwa 56 % der
Gesamtaufwendungen aus eigenen Finanzmitteln aufgebracht hat.
Ausweitung der Betreuungszeiten
Die geplante Beitragsfreiheit im Kindergarten wird auch dazu führen,
dass die Eltern diese Beitragsfreiheit dazu nutzen, um für ihre Kinder
verlängerte Betreuungszeiten in Anspruch zu nehmen.
Die damit verbundenen längeren Betreuungszeiten (quasi „Öffnungszeiten“
der Gruppen) führen auch dazu, dass das erforderliche Fachpersonal für einen
längeren Zeitraum eingesetzt werden muss, was sich in zusätzlichen
Personalkosten widerspiegelt. Diese sind unmittelbare Folge der seitens des
Landes geplanten gänzlichen Beitragsfreiheit im Kindergarten und wären nach der
Logik des Landes zunächst zu 45 % von der Gemeinde zu tragen. Dabei müssten
diese nach den Grundsätzen der Konnexität vom Land übernommen werden.
Diese zusätzlichen Personalkosten sind keine fiktive Annahme der
Gemeinde Edewecht, sondern beruhen vielmehr auf Erfahrungen der vergangenen
Jahre. Bereits die aktuell geltenden Regelungen zum beitragsfreien „letzten
Kindergartenjahr“ (Kindergartenjahr, das der Schulpflicht unmittelbar
vorausgeht) haben dazu geführt, dass die
Eltern für ihre Kinder längere Betreuungszeiten in Anspruch nehmen, sobald das
Kind in das letzte Kindergartenjahr hinein wächst.
Eine aktuelle Auswertung der Inanspruchnahme der Betreuungszeiten bei
den kommunalen Kindergärten der Gemeinde Edewecht in den Jahren 2016/17 und
2017/18 hat ergeben, dass ca. 66 % der Eltern eine längere Betreuungszeit in
Anspruch nimmt, sobald die Betreuung der Kinder im letzten Kindergartenjahr
beitragsfrei wird. Hier wurden die Betreuungszeiten pro Kind durchschnittlich
um 2,5 Stunden erweitert.
Darüber hinaus gibt es auch (wenige) Eltern, die ihre Kinder erstmals im
beitragsfreien letzten Kindergartenjahr in einen Kindergarten bringen. Der
Anteil der Eltern, die ihre Kinder mit Einführung der geplanten gänzlichen
Beitragsfreiheit erstmals in einen Kindergarten bringen werden, wird höher
ausfallen. Grund hierfür ist, dass die Betreuungsquote von 3-jährigen Kindern
etwas niedriger ist als die von 6-jährigen Kindern.
Fazit:
Während die Kindergartengebühren in Edewecht in den letzten sechs Jahren
pro Jahr jährlich um durchschnittlich 3,50 % gestiegen sind, wurde der
Jahrespauschalbetrag des Landes Niedersachsen zur Berechnung der Finanzhilfe in
den letzten sechs Jahren pro Jahr lediglich um durchschnittlich 1,45 %
angehoben.
Bei einem Wegfall der Kindergartengebühren und der besonderen
Finanzhilfe hätte man für das Kindergartenjahr 2017/2018 in Edewecht eine
Finanzhilfe in Höhe von 57,13 % benötigt, nur um den Wegfall der Elternbeiträge
zu kompensieren.
Darüber hinaus treten als unmittelbare Folge der bevorstehenden
Beitragsfreiheit im Kindergarten zusätzliche Personalkosten bei der Gemeinde
auf, weil die Eltern die Betreuungszeiten für ihre Kinder verlängern. Die
Gemeinde wird in jedem Einzelfall die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme von
verlängerten Betreuungszeiten überprüfen (durch Vorlage von Bestätigungen des
Arbeitgebers über die regelmäßigen Arbeitszeiten), diese bei Vorliegen der
rechtlichen Voraussetzungen aber nicht versagen können.
Die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen bei den Personalkosten zu Lasten der Gemeinde Edewecht können erst nach erfolgter Änderung des KiTaG sowie der dann erfahrungsgemäß folgenden veränderten Inanspruchnahme der Betreuungszeiten als Folge der Beitragsfreiheit für eine Betreuung von bis zu 8 Stunden spezifiziert werden.