Betreff
Verordnung über den Mindestabstand von Spielhallen in der Gemeinde Edewecht
Vorlage
2015/FB III/1796
Aktenzeichen
FB III - Ko
Art
Beschlussvorlage

Sachdarstellung:

In der Gemeinde Edewecht bestehen derzeit für fünf Spielhallen baurechtliche Genehmigungen. Die Lage der baurechtlich genehmigten Standorte kann der Anlage Nr. 1 entnommen werden. Rechtlich zu trennen von der baurechtlichen Erlaubnis, Räumlichkeiten für den Betrieb einer Spielhalle zu nutzen, ist die gewerberechtliche Erlaubnis, die sog. Spielhallenkonzession. Mit entsprechender Konzession betrieben werden derzeit tatsächlich drei Spielhallen. Auch diese Standorte können der oben genannten Anlage entnommen werden. In den übrigen Gemeindeteilen sind keine Spielhallen vorhanden. Neben den Spielhallen existieren in verschiedenen Gastronomiebetrieben noch einige Geldspielgeräte.

 

Es lässt sich feststellen, dass mit dieser Anzahl an genehmigten bzw. derzeit tatsächlich betriebenen Spielhallen insbesondere für den Bereich von Süd Edewecht eine beachtliche Dichte an Glücksspielangeboten existiert.

 

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession im gewerberechtlichen Sinne ergeben sich unter anderem aus dem Niedersächsischen Glücksspielgesetz. Die Rahmenbedingungen für das Glücksspielwesen wurden im Jahre 2012 durch Änderung des Glückspielstaatsvertrages (GlüStV) neu geregelt. Aufgrund des zwischen den Bundesländern geschlossenen GlüStV war in der Folge das Niedersächsische Glücksspielgesetz (NGlüSpG) an die neuen Vorgaben anzupassen. Die wesentlichen Ziele des GlüStV und damit auch des NGlüSpG sind zum einen, das Entstehen von Glücksspielsucht zu verhindern und zum anderen – in Anerkennung des natürlichen Spieltriebs der Bevölkerung - ein begrenztes Glücksspielangebot vorzuhalten, um den Spieltrieb in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken.

 

Die Bedeutung des Glücksspiels als Suchtfaktor und damit das Erfordernis für präventive Maßnahmen zur Regulierung des Glücksspielangebots insbesondere in Form von Geldspielgeräten wird z.B. in fachlicher Hinsicht durch die nachfolgenden Aussagen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) belegt (in: Prävention der Glücksspielsucht, Memorandum der Deutschen HauptsteIle für Suchtfragen e.v., 2007):

 

Ø  Alle vorliegenden Studien belegen, dass das Suchtpotenzial bei Geldspielgeräten unter allen Glücksspielen am höchsten ist. Das gewerbliche Automatenspiel hat aus Sicht der DHS sowie allen bekannten Forschungsergebnissen den mit Abstand größten Anteil an der Entstehung pathologischen Glücksspielverhaltens.

 

Ø  Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der leichten Verfügbarkeit und Griffnähe eines Spielangebotes und einem verstärkten Nachfrageverhalten. Ein dichtes Netzwerk an Glücksspielangeboten einschließlich einer extensiven Vermarktung senkt potentielle Hemmschwellen und fördert die gesellschaftliche Akzeptanz von Glücksspielen.

 

Ø  Jegliche Expansion des Glücksspielmarktes führt zu einer Ausweitung glücksspielbezogener Probleme auf individueller und sozialer Ebene. Es folgt zwangsläufig eine Zunahme der Zahl problematischer und süchtiger Glücksspieler, die sich selbst, ihre Familien und das Sozialsystem schädigen.

 

Ø  Verhältnispräventive Ansätze, die das Angebot verteuern, es einschränken und den Zugang erschweren, sind das Mittel der Wahl, wenn es um effektive Begrenzung der Glücksspielsucht geht. Aus suchtpräventiver Sicht ist daher eine Marktbegrenzung zu fordern.

 

Als ein Instrument der Suchtprävention wurden daher in GlüStV und NGlüSpG Regelungen zur Beschränkung von Spielhallen aufgenommen. Zum einen sind danach sog. Mehrfachkonzessionen, also mehrere Spielhallen nebeneinander in einem Gebäude (unter einem Dach) nicht mehr zulässig. Diese Regelung hatte z.B. für den Standort Hauptstraße 118 bereits zur Folge, dass eine der zwei dort zunächst nach alter Rechtslage erteilten Konzessionen mittlerweile zurückgegeben werden musste. Als weitere Regelung zur Beschränkung wurde eine Abstandsregelung in das NGlüSpG aufgenommen, wonach Spielhallen untereinander einen Mindestabstand von 100 m (Luftlinie) einzuhalten haben. Darüber hinaus erteilt das NGlüSpG den Gemeinden die Verordnungsermächtigung, bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für ihr Gebiet oder Teile davon einen geringeren Mindestabstand von mindestens 50 Metern oder einen größeren Mindestabstand von bis zu 500 Metern festzulegen. Die Festlegung eines höheren Mindestabstandes erfordert somit, dass die o.g. Voraussetzungen (öffentliches Bedürfnis oder besondere örtliche Verhältnisse) vorliegen. Eine Legaldefinition dieser  Rechtsbegriffe ist durch den Gesetzgeber nicht erfolgt, so dass deren Sinngehalt durch Auslegung zu ermitteln ist. Hierbei ist eine Interessensabwägung vorzunehmen, bei der die rechtsstaatlichen Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden müssen. Die rechtliche Prüfung erstreckt sich hierbei auch auf den sachlichen, räumlichen und zeitlichen Umfang der Abweichung. So kann hier gesagt werden, dass ein öffentliches Bedürfnis gegeben ist, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die eine solche Regelung im Interesse der Allgemeinheit angezeigt erscheinen lassen. Besondere örtliche Verhältnisse liegen vor, wenn die Verhältnisse im örtlichen Bereich sich so von den Verhältnissen anderer örtlicher Bereiche unterscheiden, dass deswegen eine Abweichung gerechtfertigt erscheint.

 

Aus der Anlage Nr. 2 kann entnommen werden, dass die genehmigten Spielhallenstandorte in Edewecht den gesetzlich normierten Mindestabstand von 100 m deutlich einhalten. Erkennbar wird beim Blick auf die Karte auch, dass die Einhaltung des gesetzlichen Mindestabstands durch die besondere städtebauliche Struktur Edewechts als lang gezogenes Reihendorf begünstigt wird und für eventuell weitere Spielhallenstandorte noch deutlich Raum lässt.

 

Die Zielsetzung des NGlüSpG und damit das darin formulierte Interesse der Allgemeinheit ist, das Entstehen von Glückspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Mit Blick auf diese Zielsetzung ist es angesichts des räumlichen Potenzials für weitere Spielhallen, das trotz der bereits bestehenden Spielhallen in Edewecht noch vorhanden ist, angezeigt, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die vom Gesetzgeber zu diesem Zweck bereitgestellt werden.

 

Auch hinsichtlich des Gesamtaufkommens an Spielgeräten im Verhältnis zur Einwohnerzahl stellen sich die örtlichen Verhältnisse in Edewecht durchaus in einer Weise abweichend zum Durchschnitt in Niedersachsen dar. Durch den Arbeitskreis gegen Spielsucht e.V. werden alljährlich Erhebungen u.a. zum Verhältnis der Anzahl der in Spielhallen genehmigten Geldspielgeräte je Einwohner durchgeführt (Die Geldspielgeräte in Gaststätten bleiben bei dieser Erhebung außer Betracht). Aus der Erhebung für das Jahr 2014 geht hervor, dass in Niedersachsen auf 325,27 Einwohner ein Geldspielgerät kommt. Bei einem Bundesdurchschnitt von 378,11 Einwohnern je Geldspielgerät und unter Heranziehung der oben genannten Zusammenhänge zwischen Anzahl von Geldspielgeräten und Suchtpotenzial gilt damit Niedersachsen bereits als glücksspielgefährdetes Gebiet.

 

In der gesamten Gemeinde Edewecht sind derzeit in Spielhallen 37 Geldspielgeräte vorhanden (einschließlich des zwar kürzlich abgemeldeten Standorts Hauptstraße 111, der aber jederzeit wieder aufleben könnte). In dem baurechtlich genehmigten, derzeit aber noch nicht betriebenen Standort Hauptstraße 162 ist der Betrieb von weiteren mindestens 8 Geldspielgeräten möglich. Gesehen auf die Gesamteinwohnerzahl der Gemeinde Edewecht von rd. 21.800 Einwohner erscheint die Dichte der Geldspielgeräte mit 589,19 Einwohnern je Geldspielgerät zunächst eher gering. Unter Berücksichtigung von 8 weiteren Geldspielgeräten am Standort Hauptstraße 162 würde sich der Wert auf 484,44 Einwohner je Spielgerät verringern.

 

Der o.g. Wert für Niedersachsen stellt allerdings den gesamten Landesdurchschnitt dar. Er erfasst somit auch die erfahrungsgemäß deutlich stärker mit Spielhallen belasteten Ballungsräume, die darüber hinaus noch mit ihrer Anziehungskraft ins Umland hineinwirken. Dagegen weist der ländliche Raum in deutlich geringerer Anzahl Geldspielgeräte auf.

 

Es wäre im Sinne der Suchtprävention sicherlich nicht angemessen, in ländlichen Räumen nur dann besondere örtliche Verhältnisse als gegeben gelten zu lassen, wenn auch unter Einbeziehung des gesamten, unter Umständen sehr weitläufigen Gemeindegebiets eine über den Landesdurchschnitt hinausgehende Geldspielgerätedichte vorhanden ist. Hier scheint es vielmehr angezeigt, den Spielhallen einen realistischen Einzugsbereich zuzuordnen.

 

Für die im Ort Edewecht vorhandenen Geldspielgeräte wären daher vielmehr die Einwohnerzahlen der Ortsteile Süd Edewecht, Nord Edewecht I, Nord Edewecht II und Portsloge zugrunde zu legen. Bei dieser Betrachtung ergäbe sich eine Geldspielgerätdichte von 230,38 Einwohnern je Geldspielgerät. Bei einer Einbeziehung der umliegenden Bauerschaften Husbäke, Jeddeloh I und II, Osterscheps und Süddorf erhöht sich dieser Wert auf 377,46 Einwohner je Geldspielgerät und liegt damit noch unter dem Bundesdurchschnitt. Unter Berücksichtigung von 8 möglichen weiteren Spielgeräten am Standort Hauptstraße 162 ergäbe sich ein Durchschnitt von 310,36 Einwohnern je Geldspielgerät.

 

Aus diesen Betrachtungen lässt sich somit ableiten, dass die Gemeinde Edewecht mit den vorhandenen genehmigten Geldspielgeräten als ländlich strukturierte Flächengemeinde durchaus bereits heute über eine hohe Geldspielgerätdichte verfügt. Die besonderen örtlichen Verhältnisse lassen es daher angezeigt erscheinen, im Sinne der größtmöglichen Suchtprävention den vom Gesetzgeber eröffneten Rahmen vollständig auszuschöpfen und durch Verordnung einen Mindestabstand zwischen den Spielhallen von 500 m festzulegen.

 

Durch Festlegung dieses Mindestabstandes würde ein wichtiger Baustein zur Verhinderung von Spielsucht genutzt werden, indem das Angebot an die die Spielsucht fördernden Gelegenheiten innerhalb kurzer Wegstrecken verringert würde. Der Spieler kommt nicht sofort beim Verlassen einer Spielhalle wieder in die Versuchung, erneut zu spielen. Beim Zurücklegen einer längeren Wegstrecke kann er seine Gedanken sortieren, neu ordnen und gegebenenfalls vom unkontrollierten Spielverhalten Abstand nehmen.

 

Mit der Festlegung von Mindestabständen will der Gesetzgeber erreichen, dass Spielhallen nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander, gewissermaßen „Tür an Tür" mit der Folge einer Ballung dieser Betriebe bestehen sollen. Die Festlegung eines Mindestabstands von 500 Metern soll der spielenden Person nach Verlassen einer Spielhalle die Möglichkeit eröffnen, einen inneren Abstand vom gerade beendeten Spiel an einem Geldspielgerät oder der Teilnahme an einem anderen Spiel zu finden. Sie soll die Chance erhalten, ihr Verhalten zu reflektieren und zu einer möglichst unbeeinflussten Eigenentscheidung kommen, ob sie das Spiel fortsetzen möchte.

 

Durch die Festlegung werden die derzeitigen Spielhallen nicht in ihrem Bestandsschutz berührt. Bei zukünftigen Konzessionsanträgen wäre dieser Abstand allerdings einzuhalten. Die Festlegung eines Abstandes von 500 m zwischen zwei Spielhallen würde andererseits nicht die Eröffnung weiterer Spielhallen ausschließen, die diesen Abstand nachweisen können. Insofern wird trotz der Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens nicht die Möglichkeit der Bereitstellung eines angemessenen Glücksspielangebots unterbunden.

 

Derzeit bestehen ausschließlich in den Ortsteilen Nord Edewecht I und Süd Edewecht Spielhallen. Insbesondere in Süd Edewecht hat sich eine gewisse Häufung von Spielhallen entwickelt. Allerdings besteht grundsätzlich auch in anderen Ortsteilen theoretisch die Möglichkeit, Spielhallen zu errichten. In Anbetracht der obigen Ausführungen zur bestehenden Geldspielgerätedichte im Einzugsbereich der im Ort Edewecht vorhandenen Geräte und hinsichtlich der Intention des Gesetzgebers, durch die Festlegung eines Mindestabstandes einen Beitrag zur Suchtprävention zu leisten, sollte für das gesamte Gemeindegebiet ein Mindestabstand zwischen Spielhallen von 500 m festgelegt werden, dieses insbesondere mit Blick auf das Grundzentrum Friedrichsfehn.

 

Die bauplanungsrechtliche Situation lässt in Friedrichsfehn theoretisch für nahezu den gesamten Bereich der Ortsdurchfahrt der Friedrichsfehner Straße die Errichtung von Spielhallen zu. Bei Festlegung eines Mindestabstandes von 500 m wären in der Ortsdurchfahrt der Friedrichsfehner Straße die Möglichkeiten für die Errichtung von Spielhallen zukünftig erheblich eingeschränkt.

 

Der Entwurf für eine entsprechende Verordnung liegt als Anlage Nr. 3 bei.

 

Anzumerken ist, dass es sich bei der vorliegenden Verordnung um ein Steuerungsinstrument für Spielhallen auf gewerberechtlicher Ebene handelt, die auf Suchtprävention abzielt. In städtebaulicher Hinsicht wird hierdurch nur indirekt eine gewisse Wirkung erzielt, da lediglich ein Mindestabstand zu bereits bestehenden Spielhallen festgelegt wird.

 

Um eine gezielte räumliche Steuerung von Vergnügungsstätten in Form von Spielhallen vornehmen zu können, bedarf es dagegen der Anwendung entsprechender bauplanungsrechtlicher Instrumente. Diesbezüglich ist durch die BauGB-Novelle 2013 den Gemeinden durch Einführung des § 9 Abs. 2b BauGB ein Instrument zur erleichterten Steuerung von Vergnügungsstätten mittels eines einfachen Bebauungsplanes an die Hand gegeben worden.

 

Die Anwendung dieses Instrumentes erfordert allerdings eine detaillierte, flächendeckende Herausarbeitung der städtebaulichen Situation und eine entsprechende Darlegung der durch Spielhallen hervorgerufenen negativen städtebaulichen Folgen. Für viele Bereiche im Gemeindegebiet dürfte dieses nur schwer zu begründen sein. Tatsächlich wurden in der Vergangenheit im Gemeindegebiet von Edewecht lediglich im Bereich Grubenhof in Edewecht mit entsprechender Begründung im Bebauungsplan Nr. 64 Spielhallen ausgeschlossen.

 

Die Verwaltung schlägt daher vor, auf der Grundlage einer von der Gemeinde zu verabschiedenden Verordnung nach dem Nds. Glücksspielgesetz die Möglichkeiten zur Errichtung von Spielhallen im Gemeindegebiet von Edewecht zu begrenzen.


Beschlussvorschlag:

Dem Entwurf der Verordnung über den Mindestabstand von Spielhallen in der Gemeinde Edewecht (Mindestabstandsverordnung) wird zugestimmt. Die Verwaltung wird beauftragt, die Verordnung durch Veröffentlichung im Amtsblatt für den Landkreis Ammerland in Kraft zu setzen. Auf die Bekanntmachung ist in der Nordwest-Zeitung – Ammerländer Teil – hinzuweisen.


Anlagen:

-       Übersicht baurechtlich genehmigte Spielhallenstandorte

-       Übersichtsplan mit Abständen sowie Abstandsradien 100 und 500 m

-       Entwurf einer Verordnung über Mindestabstände