Betreff
Ersatzbau für das Alten- und Pflegeheim Edewecht, hier: Gründung eines rechtlich unselbständigen Eigenbetriebes
Vorlage
2015/Stab/1966
Art
Beschlussvorlage

Finanzierung:

Der Eigenbetrieb zur Errichtung eines Ersatzbaues für das Alten- und Pflegeheim erhält ein Stammkapital in Höhe von 100.000 Euro von der Gemeinde Edewecht. Diese Summe wurde bereits durch die Übernahme von Planungskosten bereitgestellt und soll dementsprechend verbucht werden. Diese Vorgehensweise wurde bereits mit der Kommunalaufsichtsbehörde des Landkreises Ammerland und Herrn Wirtschaftsprüfer Thölking erörtert und von denen grundsätzlich gutgeheißen. Das endgültige Prüfungsergebnis wird in der Sitzung des Verwaltungsausschusses vorgestellt.

 

Der nicht vom Eigenkapital abgedeckte Anteil der Investitionen wird durch Fremdkapital (Darlehnsaufnahmen des Eigenbetriebes) bereitgestellt.

 

Das Gebäude wird vom Eigenbetrieb an den Pflegeservice Edewecht AöR verpachtet. Die Pacht wird so bemessen, dass sie bei durchschnittlicher Betrachtung der üblichen Zinsbindungsfristen geeignet ist, die erforderlichen Zins- und Tilgungsraten abzudecken. Darüber hinaus übernimmt der Eigenbetrieb keinerlei Verpflichtungen. Die bauliche Unterhaltung obliegt somit der Pflegeservice Edewecht AöR, wie dies bereits auch schon beim vorhandenen Gebäude praktiziert wird. 


Sachdarstellung:

 

Bisherige Entwicklung:

In den Sitzungen des Wirtschafts- und Haushaltsausschusses am 18.06.2015, des Verwaltungsausschusses am 14.07.2015 und des Rates am 20.07.2015 wurde aufgrund der Vorlage 2015/Stab/1914 entschieden, einen Eigenbetrieb der Gemeinde Edewecht zu gründen, welcher einen Ersatzneubau für das Alten- und Pflegeheim mit insgesamt 66 Plätzen erstellt und an den Pflegeservice Edewecht AöR vermietet. Dabei wurde von Gesamtinvestitionskosten in Höhe von 5,75 Mio. Euro ausgegangen, die nach dem heutigen Stand nach wie vor relevant sind. Darüber hinaus war eine wesentliche Rahmenbedingung, dass eine fiktive Pflegesatzberechnung nach einer gewissen Anlaufzeit den eigenwirtschaftlichen Betrieb der stationären Pflegeeinrichtung aufzeigt.

 

Pflegestärkungsgesetz I

Das zum 01.01.2015 in Kraft getretene Pflegestärkungsgesetz I dient insbesondere der Stärkung der ambulanten Pflege und folgt somit dem Grundsatz „ambulante vor stationärer Pflege“. Neben Verbesserungen beim Pflegegeld gibt es insbesondere neue bzw. verbesserte Leistungen für die Verhinderungspflege, die Tages-/Nachtpflege (teilstationäre Leistungen), die Kurzzeitpflege und für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen.

 

Die vorgenannten Pflegeleistungen können zu wirtschaftlich angemessenen Erträgen für Pflegeunternehmen führen. Insbesondere bei der Betrachtung der Nachnutzung der jetzt vorhandenen Räume des alten Alten- und Pflegeheimes bieten sich die Tages- und Kurzzeitpflege und die Versorgung ambulant betreuter Wohngruppen an. Hier kann der Pflegeservice Edewecht aus einer Hand die Leistungen erbringen und neue Ertragsmöglichkeiten sichern. Hierbei können insbesondere zahlreiche Synergieeffekte zwischen der Sozialstation und dem Alten- und Pflegeheim genutzt werden (Abdeckung von Personalbedarfsspitzen, Essensversorgung, nahtloser Übergang von ambulant Betreuten in die stationäre Pflege etc.). Die aktuelle Entwicklung bestätigt die Entscheidung, die Sozialstation und das Alten- und Pflegeheim in einem öffentlich-rechtlich organisierten Unternehmen zusammen zu fassen. 

 

Pflegestärkungsgesetz II

Das voraussichtlich zum 01.01.2017 in Kraft tretende Pflegestärkungsgesetz II stellt die Verbesserung von Leistungen zugunsten der Pflegebedürftigen in den Mittelpunkt. Hierzu soll ein neues System zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit eingeführt werden. Bisher gab es die Pflegestufen 0 und I – III. Künftig sollen fünf Pflegegrade eingeführt werden, welche nicht nur die Mobilitätsbeeinträchtigungen, sondern auch die Einschränkung bei der Alltagskompetenz berücksichtigen. Anhand einer Umrechnung zu einem bestimmten Stichtag soll eine Umschlüsselung erfolgen. Bislang wurde stets betont, dass es hierbei nicht zu finanziellen Verschlechterungen für die Pflegebedürftigen und die Einrichtungen kommen soll (Bestandsschutz für vorhandene Bewohner).  

 

Aktuell ist noch nicht bekannt, ob wie bisher auch künftig mit Schlüsselzahlen zur Bemessung des Personalbedarfs gearbeitet wird. Hier werden in der Branche gewisse Veränderungen nicht ausgeschlossen.

 

Insofern ist die o. a. fiktive Pflegesatzberechnung noch nach dem alten Recht erstellt. Gleichwohl führt die benötige Bauzeit dazu, dass bis zur Inbetriebnahme des Ersatzbaues klare Regelungen erwartet werden können. Es ist allerdings geboten, sich im Vorfeld dieser Regelungen noch nicht personell zu verstärken. Dieses sollte erst erfolgen, wenn konkrete Festlegungen bekannt sind. Insofern bietet die gesetzliche Neuregelung auch die Chance, den Personalbedarf (Anteile von examinierten Pflegekräften, Hilfspflegekräften, Beschäftigungstherapeuten) auf die künftige Bedarfslage abzustellen.

 

Fiktive Pflegesatzberechnung:

In der Sitzung des Verwaltungsrates am 21.09.2015 wurde die o.a. geforderte fiktive Pflegesatzberechnung vorgestellt. Sie soll darstellen, inwieweit das Alten- und Pflegeheim nach der Erweiterung auf 66 Plätze mit einem Ersatzbau in der Lage ist, eigenwirtschaftlich betrieben zu werden.

 

Die in anliegende Vorlage zur Sitzung des Verwaltungsrates des Pflegeservice Edewecht AöR erstellte Beschlussvorlage einschließlich der beigefügten Unterlagen zeigt, dass eine kostendeckende Bewirtschaftung des Alten- und Pflegeheimes möglich ist. Allerdings sind hier bestimmte Rahmenbedingungen zu beachten. Diese Rahmenbedingungen sollen sicherstellen, dass Verluste gar nicht erst entstehen. Die Annahmen mögen möglicherweise zu pessimistisch sein, aber es geht der Verwaltung auch darum, Risiken aufzuzeigen.

 

Die Rahmenbedingungen resultieren im Wesentlichen aus der im Branchenvergleich sehr hohen Vergütung des Personals nach dem TVöD. Nach der derzeitigen Praxis der Pflegesatzstellen werden bei den Verhandlungen neuer Pflegesätze diese Personalkosten in Teilen nicht vollständig anerkannt und können demzufolge zu einer finanziellen Unterdeckung führen. Um solchen Unterfinanzierungen vorzubeugen, werden folgende Rahmenbedingungen als präventive Gegenmaßnahmen gesehen:

-     Personaleinstellungen aufgrund der zusätzlichen 23 Pflegeplätze erfolgen erst, wenn die nach dem Pflegestärkungsgesetz II neu festzusetzenden Pflegeschlüssel bekannt sind. Damit kann auf die neuen Rahmenbedingungen optimal reagiert werden und anders als in Bestandseinrichtungen ohne Übergangszeiten das Personalverhältnis zwischen examinierten Pflegekräften, Hilfspflegekräften und Beschäftigungstherapeuten von vornherein auf die neuen Pflegeschlüssel abgestimmt werden.

 

-     Hinsichtlich der Pflegekräfte besteht nach Einschätzung von Frau Dr. Hacke und auch anderen Heimbetreibern mit öffentlicher Trägerschaft durchaus die Chance, die TVöD-Entgelte in vollem Umfang anerkannt zu bekommen.

 

-     Etwas schwieriger gestaltet sich dies wahrscheinlich bei den Verwaltungs- und Leitungskräften. Hier ist aber durch die bestehenden Synergieeffekte zwischen der Altenheim- und der Sozialstationverwaltung die Möglichkeit gegeben, den neuen Personalschlüssel für 66 Bewohnerplätze um ca. 0,4 Stellen zu unterschreiten und damit einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu schaffen.

 

-     Im Wirtschaftsbereich (Reinigung, Küche, Wäscherei) sind die TvöD-Entgelte im Vergleich zum Branchendurchschnitt äußerst hoch und werden sehr wahrscheinlich keine Anerkennung finden. Hier wird aus Sicht des Verwaltungsrates insbesondere die Lösung in Betracht gezogen, statt Neueinstellungen in diesem Bereich Dienstleistungsaufträge an Fremdfirmen zu vergeben.

 

-     Auch im technischen Bereich (Hausmeister) sind die Jahreskosten sehr wahrscheinlich nicht in vollem Umfang in die Pflegeentgelte einzubeziehen. Hier wäre eine Lösung, dass der Hausmeister den auch der Öffentlichkeit zugänglichen Park beim Alten- und Pflegeheim weiter bewirtschaftet und hierfür ein Betrag in Höhe von etwa 12.000 bis 13.000 € jährlich aus dem Gemeindehaushalt erstattet wird. Diese Praxis wird derzeit bereits geübt.

 

Zu dieser Angelegenheit wurde auch der Wirtschaftsprüfer Thölking, Oldenburg, beteiligt. Dieser hat in der Sitzung des Verwaltungsrates am 21.09.2015 die fiktive Pflegesatzberechnung einschließlich der genannten Rahmenbedingungen bestätigt.

 

Frau Dr. Hacke, Fachanwältin aus Hamburg, wird zu dem Themenkomplex ihre Einschätzung in der Sitzung ausführlich darstellen.

 

Investitionsfolgekosten

Bei Investitionen in Höhe von rd. 5,75 Mio. Euro werden unter den derzeitigen Finanzierungsannahmen für Fremdkapital und einer im Wesentlichen 50-jährigen Abschreibungszeit Investitionsfolgekosten in Höhe von etwa 12,50 € je Bewohner und Tag entstehen. Dies ist deutlich günstiger als private Heimbetreiber im Regelfall für Neubauten berechnen.

 

Hierzu wurden verschiedene Zins- und Tilgungsberechnungen geprüft. Sie zielen darauf ab, möglichst niedrige Zinssätze (ggf. mit Hilfe von KfW-Darlehen) und andererseits längeren Laufzeiten ergänzender Kreditmittel zu einem soliden Finanzierungsfundament zu kombinieren. Die bislang von der Pflegesatzstelle anerkannten Finanzierungsrahmenbedingungen lassen eine Gesamtfinanzierung über einen Zeitraum von 27,5 Jahren bei etwa 12,50 € Investitionsfolgekosten realistisch erscheinen.

 

Allerdings sollte in einem gewissen Umfang auch versucht werden, als weitere Einnahmen Selbstzahlerzuschläge zu generieren, wie dies in nahezu allen anderen Einrichtungen praktiziert wird. Dieses erscheint insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil die Bewohner künftig einen Neubau nach dem aktuellen Stand der Technik nutzen können.

 

Regionaler Markt für Pflegeeinrichtungen

Hier wird auf die in der Beschlussvorlage zur Sitzung des Verwaltungsrates enthaltenen Ausführungen verwiesen.

 

Zwischenergebnis

Nach Einschätzung von juristischer und fachlicher Expertise und nach Auffassung der Verwaltung kann ein auf 66 Plätze erweitertes Alten- und Pflegeheim eigenwirtschaftlich unter den o.a. Rahmenbedingungen betrieben werden.

 

Da der Pflegeservice Edewecht AöR über keine ausreichenden Eigenmittel verfügt und attraktive Finanzierungsmöglichkeiten wie für einen gemeindlichen Eigenbetrieb für die AöR nicht in Betracht gezogen werden können – wie in der Sitzung des Wirtschafts- und Haushaltsausschusses am 18.06.2015 dargestellt – empfehlt sich die Gründung eines Eigenbetriebes speziell für dieses Investitionsvorhaben.

 

Eigenbetrieb

Das Rechtsverhältnis von Eigenbetrieben richtet sich nach dem NKomVG und der Eigenbetriebsverordnung. Aufgrund dieser Vorschriften sind u.a. folgende wesentlichen Punkte in einer Eigenbetriebssatzung zu regeln:

-     Die Satzung auf der Grundlage eines entsprechenden Musters der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände legt den Namen des Eigenbetriebes fest. Hier wird vorgeschlagen „Immobilienbetrieb für den Pflegeservice Edewecht“.

 

-     Der Eigenbetrieb ist mit einem angemessenen Stammkapital auszustatten. Bei einem Investitionsvolumen von 5,75 Mio. Euro könnte dies ein Betrag von 100.000 Euro sein, den die Gemeinde Edewecht als Stammkapital bereitstellen sollte. Dieses ist im Wesentlichen bereits dadurch geschehen, dass im Dezember 2014 vom Gemeinderat entschieden wurde, der AöR als Planungskostenhilfe eine Summe von 100.000 Euro bereitzustellen. Diese Planungskosten sind in dem Betrag von 5,75 Mio. Euro enthalten und insofern bereits zu Lasten des Haushaltsplanes 2015 geleistet. Diese Auffassung wird vom Wirtschaftsprüfer, Herrn Thölking, zumindest insoweit geteilt, wie die Zahlungen für Planungskosten im Jahr 2015 erfolgt sind.

 

-     Für den Eigenbetrieb ist ein Betriebsausschuss zu bilden. Dieser kann für bestimmte Angelegenheiten abschließende Entscheidungen treffen, die nicht in der Bestätigung des Verwaltungsausschusses oder des Rates bedürfen. In dem anliegenden Satzungsentwurf sind dies u.a. Auftragserteilungen für Bauaufträge ab 25.000 Euro. Der Verwaltungsausschuss und der Rat würden z.B. für Entscheidungen zur Aufnahme von Darlehen zuständig bleiben. Mit dieser Zuständigkeitsfestlegung ist der Eigenbetrieb insbesondere in der Bauphase in der Lage, zügig notwendige Entscheidungen zu treffen.

 

       Der Betriebsausschuss des Eigenbetriebes für die Immobilienbewirtschaftung des Landkreises Ammerland ist hinsichtlich der Mitglieder deckungsgleich mit dem Kreisausschuss. Dieses Modell könnte auch für den in Edewecht zu gründenden Eigenbetrieb sehr effektiv sein, weil dann kurz vor jeder turnusmäßigen Verwaltungsausschusssitzung der Betriebsausschuss zusammentreten könnte.

      

-     Für den Eigenbetrieb ist zudem eine Betriebsleitung zu bestellen.

 

-     Hinsichtlich des Rechnungswesens kann zwischen dem neuen kommunalen Rechnungswesen (NKR), wie es für die Gemeinde angewendet wird, und dem in der Wirtschaft üblichen Verfahren nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) gewählt werden. Hier wird durch den Satzungsentwurf vorgeschlagen, das HGB-Verfahren zu wählen. Hauptgrund ist die dort mögliche Abschreibung des Gebäudes auf eine Dauer von 50 Jahren. Die nach dem NKR vorgesehenen Laufzeiten von 90 Jahren sind für Pflegeeinrichtungen nach Auffassung der Verwaltung unrealistisch und würden zu einer unangemessen langen Refinanzierungsdauer führen.  

 

-     Der Eigenbetrieb sollte zum 01.11.2015 gegründet werden, damit notwendige Entscheidungen bezüglich des Ersatzbaues für das Alten- und Pflegeheim getroffen und das Verfahren zur Ausschreibung der Arbeiten in Gang gesetzt werden kann.


Beschlussvorschlag:

  1. Die Gemeinde Edewecht gründet zum 01.11.2015 den rechtlich unselbständigen Eigenbetrieb Immobilienbetrieb für den Pflegeservice Edewecht.
  2. Das Stammkapital beträgt 100.000 Euro.
  3. Der beiliegende Entwurf einer Betriebssatzung für den Eigenbetrieb „Immobilienbetrieb für den Pflegeservice Edewecht“ wird als Satzung beschlossen.

Anlagen:

Betriebssatzung für den Eigenbetrieb (Entwurf)

Beschlussvorlage Verwaltungsrat mit weiteren Anlagen