Betreff
Hier: b) Prüfauftrag Vor- und Nachteile der Errichtung einer Oberschule (OBS)
Vorlage
2012/I/029
Aktenzeichen
I - 16.04.2012
Art
Beschlussvorlage

Sachdarstellung:

Die Verwaltung wird sich auch in dieser Vorlage ausschließlich mit den rechtlichen, finanziellen und baulichen Rahmenbedingungen der Schulform b) der Oberschule (OBS) befassen. Eine Beleuchtung der pädagogischen Arbeit in der Schulform bleibt unberücksichtigt.

 

Zu b) Prüfung der Errichtung einer Oberschule (OBS)

Ausgangslage

Die Oberschule wurde erst durch das Gesetz zur Neuordnung der Schulstruktur in Niedersachsen vom 16.03.2011 als neue Schulform im Niedersächsischen Schulgesetz (NSchG) verankert.

 

Die Oberschule kann in zwei Organisationsformen errichtet werden:

 

- als Oberschule ohne gymnasiales Angebot oder

- als Oberschule mit gymnasialem Angebot.

 

b. a. Schulträgerschaft

Schulträger der Schulformen Oberschule sind die Landkreise und kreisfreien Städte (geborene Schulträger). Die Schulträgerschaft kann nach § 102 Abs. 3 NSchG auf kreisangehörige Gemeinden übertragen werden.

Die kreisangehörigen Gemeinden im Landkreis Ammerland haben die Schulträgerschaft für alle allgemein bildenden Schulen im Sekundarbereich I und II übernommen. Die kreisangehörigen Gemeinden, somit auch die Gemeinde Edewecht, sind damit örtliche Schulträger. Dies gilt auch für Oberschulen.

 

b. b. Genehmigungsvoraussetzungen

b. b. a. Mindestgröße

Der Gesetzgeber hat für die OBS folgende Rahmenbedingungen vorgegeben:

 

1. Oberschule ohne gymnasiales Angebot

Die OBS ohne gymnasiales Angebot muss mindestens zwei Züge, d.h. zwei Klassen pro Jahrgang, und darf höchstens 6 Züge pro Jahrgang haben. Dabei beträgt die Mindestschülerzahl 48 Schüler/innen pro Jahrgang.

 

2. Oberschule mit gymnasialem Angebot

Die OBS muss mindestens 3 Züge und darf höchstens 9 Züge pro Jahrgang umfassen. Die Mindestschülerzahl beträgt dabei 75 Schüler/innen pro Jahrgang. Sofern die OBS nach Schulzweigen geführt werden würde, wäre noch zu beachten, dass bei den Mindestanforderungen mind. 1 gymnasialer Zug und mindestens 27 Schüler/innen im gymnasialen Schulzweig vorgewiesen werden müssen.

 

b. b. b. Stellung der Oberschule

Die OBS kann (ergänzend) neben Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen geführt werden.

Die OBS kann jedoch auch (ersetzend) anstelle von Hauptschulen, Realschulen und Gesamtschulen errichtet werden, auf jeden Fall muss aber der Besuch eines Gymnasiums im Gebiet des Landkreises Ammerland unter zumutbaren Bedingungen gewährleistet bleiben.

 

b. b. c. Oberschule mit gymnasialem Angebot

Es ist möglich, eine OBS mit einem gymnasialem Angebot zu errichten oder auch eine eingerichtete OBS später um ein gymnasiales Angebot zu erweitern, sofern der Besuch eines Gymnasiums im Gebiet des Landkreises Ammerland unter zumutbaren Bedingungen gewährleistet bleibt und der Schulträger desjenigen Gymnasiums zustimmt, das die Schüler/innen sonst aus Edewecht besuchen würden. Dies ist in diesem Fall die Gemeinde Bad Zwischenahn als Schulträgerin des Gymnasiums Bad Zwischenahn-Edewecht (GZE) einschließlich der Außenstelle des GZE in Edewecht.

 

Für den Fall, dass die Errichtung einer Oberschule mit gymnasialem Angebot angestrebt werden sollte, ist die Zustimmung des Schulträgers des betroffenen Gymnasiums zwingende Genehmigungsvoraussetzung. Ohne eine Zustimmung der Gemeinde Bad Zwischenahn kann kein gymnasiales Angebot in Edewecht realisiert werden.

 

Oberschulen mit gymnasialem Angebot werden grundsätzlich ohne Oberstufe geführt.

 

b. b. d. Schülerzahlen

Der Schulträger ist zur Errichtung einer OBS berechtigt, nicht verpflichtet, wenn die Entwicklung der Schülerzahlen dies rechtfertigt. Eine Übersicht über die Entwicklung der Schülerzahlen liegt für den Planungszeitraum Schuljahr 2011/12 (IST) bis Schuljahr 2021/22 vor (Anlage Nr. 1) und basiert auf den Daten aus dem Einwohnermeldeamt.

 

In der Vergangenheit lagen die Übergangsquoten zu den weiterführenden Schulen in der Gemeinde Edewecht bei 12 % zur Hauptschule, 48 % zur Realschule und 40 % zum Gymnasium. Davon ausgehend, dass vorrangig die Schüler/innen, die eine Schulempfehlung zum Besuch eines Gymnasiums von der Grundschule bekommen haben, auch tatsächlich überwiegend das Gymnasium anwählen werden, ergäbe ich eine Übergangsquote von 33,47 % nach der Auswertung zu den Halbjahreszeugnissen 2012 (Anlage Nr. 2). Gerundet verblieben sodann noch rd. 65 % der Schüler/innen, die eine Haupt- oder Realschuleempfehlung haben.

 

In der Vergangenheit haben Eltern oftmals die Kinder trotz erhaltener Realschulempfehlung auf dem Gymnasium angemeldet. Sofern eine Oberschule mit gymnasialem Angebot eingerichtet werden würde, wäre es denkbar, dass weniger Kinder mit Realschulempfehlung zum Gymnasium angemeldet werden, sondern aufgrund des gymnasialen Angebotes die Oberschule anwählen würden. Unter Berücksichtigung der zum Schuljahr 2012/13 eingeführten Oberschule ohne gymnasialem Angebot in Friedrichsfehn wären folgende Prognosen denkbar (Anlage Nr. 3):

 

Variante 1

Die Variante 1 zeigt die Entwicklung der Schülerzahlen unter der Annahme, dass die Übergangszahlen zu den weiterführenden Schulen in der Gemeinde Edewecht so bleiben, wie sie zur Zeit sind. Danach würde ab den Schuljahren 2017/18 die notwendige Mindestschülerzahl von 75 für eine OBS mit gymnasialem Angebot nicht mehr erreicht werden.

 

Variante 2

Die Variante 2 zeigt die Entwicklung der Schülerzahlen unter der Annahme, dass sich die Übergangszahlen gemäß der derzeitigen Schullaufbahnempfehlungen entwickeln. Dann werden die notwendigen Mindestschülerzahlen für eine OBS mit gymnasialem Angebot ab dem Schuljahr 2020/21 nicht mehr erreicht.

 

Variante 3

Die Variante 3 beschäftigt sich mit der Entwicklung der Schülerzahlen unter der Annahme, dass eine OBS mit gymnasialem Angebot nicht nur von Schülern mit Haupt- und Realschulempfehlung, sondern zum Teil auch von Schülern mit Gymnasialempfehlung angewählt werden würde. Ab einer Anwahl von mehr als 70 % werden langfristig die notwendigen Schülerzahlen zur Realisierung eines gymnasialen Angebotes an einer OBS erreicht.

 

Variante 4

Diese Variante zeigt die weitere Entwicklung der Schülerzahlen auf, wenn das vorhandene Schulangebot in Edewecht von Edewechter Schüler/innen zum Teil, hier angenommen 10 %, nicht angewählt wird, sondern alternativ Hauptschulen oder Realschulen im Landkreis Ammerland angewählt werden, weil keine Oberschule besucht werden soll.

Sodann würde die Mindestschülerzahl für ein gymnasiales Angebot an der OBS nicht erreicht werden.

 

Zwischenfazit:

Die Mindestschülerzahlen für eine OBS ohne gymnasiales Angebot werden bei allen Varianten erreicht. Nur unter der Annahme, dass die OBS mit gymnasialem Angebot zu einer stärkeren Nachfrage, als derzeit die HRS aufweist, führt, kann die Mindestschülerzahl langfristig gewährleistet werden. Dies ginge dann zu Lasten der Außenstelle des GZE.

 

b. b. e. Elternbefragung

Im Gegensatz zur Errichtung einer IGS ist der Schulträger bei der Errichtung einer OBS nicht verpflichtet, eine Elternbefragung durchzuführen. Er ist berechtigt, eine Oberschule einzuführen, wenn die Entwicklung der Schülerzahlen dies rechtfertigt. Er ermittelt und legt dar, ob und wie die angegebenen Mindestgrößen dauerhaft erreicht werden. Art und Weise der Ermittlung sowie die Darstellung ist dem Schulträger im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung überlassen. Er kann hier auf bekannte Fakten (z. B. Schülerzahlen, Geburtenzahlen, Schullaufbahnempfehlungen, Anwahlverhalten usw.), aber auch auf neue Erkenntnisse (z.B. Elternbefragung, usw.) zurückgreifen.

 

Sofern das Interesse der Eltern durch eine Befragung festgestellt werden soll, wird empfohlen, die Befragung vorab mit der NLSchB abzustimmen.

 

b. b. f. weitere Voraussetzungen

1. Umwandlung

Oberschulen können neu errichtet oder durch Umwandlung bestehender Haupt- und Realschulen entstehen. Hier käme nur die Umwandlung der bestehenden Haupt- und Realschule Edewecht in Betracht. Dies würde bedeuten, dass die Schule komplett zur Oberschule umgewandelt werden würde. Der Unterricht würde ab dem Schuljahrgang 5 nach dem Konzept der Oberschule geführt werden, die „übernommenen“ Schuljahrgänge 6 – 10 der Vorläuferschulform (HRS Edewecht) werden entsprechend den Vorgaben der Vorgängerschulform weitergeführt und laufen nach und nach aus.

 

2. Ganztagsschule

Neue Oberschulen sind nicht automatisch offene oder teilgebundene Ganztagsschulen. Die Ganztagsbeschulung muss nach § 23 Abs. 4 NSchG gesondert bei der NLSchB beantragt werden. Bei teilgebundenen Ganztagsoberschulen findet das verpflichtende Ganztagsschulangebot an zwei Tagen der Woche statt. An den übrigen Tagen ist die Teilnahme freiwillig. Soweit ein Ganztagsangebot an mehr als drei Tagen stattfinden soll, verzichten der Schulträger und die Schule insoweit auf die Bereitstellung finanzieller und personeller Ressourcen. Dies bedeutet, die personelle und finanzielle Ausstattung des Ganztagsbereichs bei verpflichtendem Ganztagsangebot wird über die NLSchB sichergestellt. Gleiches gilt für einen dritten freiwilligen Ganztagsschultag. Ein eventueller vierter Ganztagsschultag wäre aus eigenen Ressourcen der Schule zu bestreiten.

 

3. Schulzweigspezifischer oder jahrgangsbezogener Unterricht

Die Schulen entscheiden über die nach § 10 a NSchG bestehenden Differenzierungsmöglichkeiten und – erfordernisse. Es kann Unterricht in bestimmten Fächern schulzweigspezifisch (d.h. getrennt nach Schulzeigen der Hauptschule, der Realschule und gegebenenfalls des Gymnasiums) oder schuljahrgangsbezogen (d.h. alle Schüler/innen eines Jahrganges werden gemeinsam unterrichtet) gegeben werden.

 

Zu 2. und 3.

Es ist Entscheidung des Schulvorstandes, ob und in welcher Form die Schule Ganztagsschule (offen oder teilgebunden) wird und ob und in welcher Form der Unterricht (schuljahrgangsbezogen oder schulzweigbezogen) erteilt wird.

 

4. Schuleinzugsbereich

Für die einmal eingerichtete Oberschule kann die Aufnahme von Schüler/innen nicht beschränkt werden, so dass der Schulträger die Aufnahme zur Oberschule zu gewährleisten hat. Dies gilt auch, wenn die Oberschule als Ganztagsschule geführt wird. Die Gemeinde Edewecht hat per Satzung geregelt, dass für die HRS Edewecht das Gemeindegebiet Edewecht als Einzugsbereich festgelegt ist. Gleiches gilt für die neu eingerichtete Oberschule in Friedrichsfehn. Der Schulträger hat im Falle der Umwandlung der HRS in ebenfalls eine OBS die Möglichkeit, die Schülerströme mittels Satzung zu regulieren. Dies bedeutet, dass für beide Schulen der Einzugsbereich des Gemeindegebietes Edewecht festgelegt werden könnte und die OBS in Friedrichsfehn im Weiteren in der Zügigkeit auf eine Zweizügigkeit beschränkt werden könnte. Die Aufnahme aller weiteren Schüler/innen mit Hauptschul-, Realschul- oder evtl. Gymnasialempfehlung müsste sodann am Standort Edewecht sichergestellt werden.

 

5. Antrag

Der Antrag auf Genehmigung der Umwandlung der HRS Edewecht zur Oberschule mit oder ohne gymnasiales Angebot sollte spätestens bis  zum 31. Okt. eines Jahres für das jeweils folgende Schuljahr bei der NLSchB eingereicht werden. Dieser Termin ist ebenfalls lediglich eine Ordnungsfrist und keine Ausschlussfrist.

 

5. Beteiligungen

Die zuständigen Gremienentscheidungen müssen vorliegen. Hierzu zählen die Entscheidungen des Schulvorstandes, des Gemeindeelternrates und der politischen Gremien.

 

b. c. Baubedarf

Die Errichtung einer Oberschule mit oder ohne gymnasialem Angebot käme nur am Standort der HRS Edewecht am Breeweg in Betracht. Die notwendigen Unterrichts- und Fachräume zur Realisierung einer Oberschule stehen zur Verfügung. Die Gemeinde Edewecht verfügt derzeit über ausreichend Schulraum für alle Schüler/innen. Durch die Nutzung der ehemaligen Orientierungsstufe in Friedrichsfehn für die Oberschule ohne gymnasiales Angebot wird eine Auslastung dieses Gebäudes gewährleistet und mit Umwandlung der HRS zur Oberschule auch durch Festlegung in einer Satzung sichergestellt werden können. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des vorhandenen Raumbestandes am Breeweg könnte auch ein zusätzliches gymnasiales Angebot sichergestellt werden. Ein zusätzlicher Baubedarf kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Dies ist u.a. vom pädagogischen Konzept der Schule abhängig.

 

Problemfelder

Die Überlegungen der Gemeinde Edewecht zur „Umwandlung“ der HRS Edewecht zur Oberschule mit einem gymnasialen Angebot sind zwingend daran gebunden, dass der Schulträger des betroffenen Gymnasiums, hier die Gemeinde Bad Zwischenahn, zustimmt. Ein Versagen der Zustimmung verhindert die Schaffung eines solchen Angebotes. Insoweit wird es notwendig sein, frühzeitig Gespräche mit der Gemeinde Bad Zwischenahn aufzunehmen, um abzuklären, welche Position die Gemeinde Bad Zwischenahn zu einem solchen Vorhaben vertreten wird.

 

Die HRS Edewecht arbeitet derzeit als offene Ganztagsschule. Die Schülerzahlen für den Ganztagsbereich der Schule stagnieren. Grundsätzlich wird im Ganztagsbereich eine andere Strukturierung des Schulalltages angestrebt. Hierzu wäre die Schule als teilgebundene Ganztagsschule in der Lage, sofern der Schulvorstand der Schule dieses Bestreben mittragen würde.

 

Gleiches gilt für die Entscheidung, ob die HRS Edewecht als Oberschule sodann nach Schuljahrgängen gegliedert oder in ihr die Haupt-, Realschule als aufeinander bezogene Schulzweige geführt werden. Der Schulvorstand entscheidet auch hier über die Gestaltung der Organisations- und Unterrichtsform. Insoweit sind hier ebenfalls frühzeitig Gespräche mit dem Schulvorstand zu führen.

 

Die Kenntnisse über die Entscheidungen des Schulvorstandes sind insbesondere dann wichtig, wenn in der Folge Elterninformationsabende durchgeführt werden sollen.

 

Die Prognosen über die Entwicklung der Schülerzahlen zeigen, dass das Erreichen der Mindestschülerzahl für eine OBS mit gymnasialem Angebot unter Berücksichtigung der Schüler/innen der OBS in Friedrichsfehn nur dann gewährleistet werden kann, wenn eine Übergangsquote von rd. 70 % insgesamt erreicht werden kann. Derzeit weist die Gemeinde Edewecht eine Übergangsquote von 60 % zur HRS Edewecht auf.

 

Zweckbindung

Die HRS Edewecht ist 2004 zur Ganztagsschule ausgebaut worden. Hierzu sind Finanzmittel aus dem Förderprogramm „Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB) in Höhe von rund 4,5 Mio Euro in Anspruch genommen worden. Diese Finanzmittel sind zweckgebunden mit einer Bindungsfrist verbunden. Die NLSchB prüft derzeit, welche Auswirkungen die Umwandlung der HRS in eine  OBS auf die seinerzeitige Förderung und die Bindungsfrist haben wird. Sofern die OBS nicht als Ganztagsschule, unabhängig davon, ob als offene oder teilgebundene Ganztagsschule, geführt werden sollte, wäre eine Rückzahlungsverpflichtung wahrscheinlich. Diese Fragen werden voraussichtlich erst zur Sitzung geklärt werden können.


Anlagen:

Anlage Nr. 1 zur IGS und OBS - Grundschülerzahlen

Anlage Nr. 2 zur IGS und OBS - Schullaufbahnempfehlung

Anlage Nr. 3 zur OBS – Prognose